Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 33. (1980)

SCHRÖCKER, Alfred: Die Amtsauffassung des Mainzer Kurfürsten Lothar Franz von Schönborn (1655–1729)

Lothar Franz von Schönborn 113 Ämterpatronage, also ein Interesse, das nicht einer Reichs- oder stiftischen Staatsräson entsprang, konnte nicht gegen, sondern nur für das „publicum“ interpretiert werden. Je mehr sich die Schönbom durchsetzten, desto besser für das „publicum“34). In dieser Identifizierung steckte ein ideologisches Moment. Trotz einer sub­jektiv (soweit erkennbar) nicht in Frage gestellten Überzeugung hat die Be­urteilung der Wirklichkeit davon auszugehen, daß dieses Selbstverständnis weder der objektiven Lage noch der Struktur einer genossenschaftlich orien­tierten Adelsschicht im Rahmen der Reichsstifte entsprach. Nur weil sich die Schönborn mit dem „publicum“ identifizierten, konnte bei den Gegnern nicht schon „privat“ sein, was sie selbst noch mehr als diese taten. Daß „pri­vates“ und „öffentliches“ Interesse zusammenfielen, ist nicht auszuschließen, beispielsweise beim Subsidialvertrag von 17013S) oder beim Verkauf des Kurmainzer Dragonerregimentes 17 1 036), war aber in finanziellen Fragen oft auch nicht der Fall37). Schließlich wäre noch zu bedenken, daß ein „öffentli­ches“ Interesse vom reichsstiftisch-adeligen Standpunkt aus gewiß einseitig bestimmt war. Die Ähnlichkeit der Schönbornschen Selbstinterpretation hinsichtlich des „publicum“ mit dem konfessionspolitischen Selbstverständnis beruht nicht auf einer zufällig gleichen Struktur, sondern auf einem inneren Zusammen­hang. Denn das katholische Interesse war mit dem „publicum“ weitgehend identisch, weil es noch mit den Reichsstiften und der traditionellen Reichs­form verbunden war. Eine ideologische Position, wie sie das „bonum publi­cum“ in der Reichsgeschichte längst darstellte, wurde ernst genommen, um die vielleicht noch enthaltene politisch-ethische Schutzfunktion zu nützen: Das Gemeinwohl bedeutete in der ideologisch-politischen Skala immerhin noch einen der höchsten Werte, die sich in offiziellen Staatsdokumenten ver- balisierten. Schutz und Anspruch gingen dabei ineinander über. Aus dem Gesamtzusammenhang heraus war die Schönbornsche Stellung als die eines politisch fähigen, gewichtigen und verantwortungsvollen Hauses anzuerken­nen. Hinter diesem Selbstverständnis verschwand die Hauspolitik, die in der Öffentlichkeit ohnedies als solche kaum zur Sprache kam. 34) Wiederholt als Argument bei Bischofswahlen: Schröcker Bischofswahlen 106, 110ff, 117, 143; mehrfach auch Schröcker Nepotismus. 35) Schröcker Ein Schönbom 51; der Subsidienvertrag war indirekt mit der Er­hebung der Schönborn in den Reichsgrafenstand verbunden. 36) Das Mainzer Dragonerregiment, seit 1705 geführt von Anselm Franz von Schönborn, stand seit 1706 in Ungarn, wurde jedoch erst 1710 verkauft; LF schlug das kursächsische Angebot aus; seine Absicht war vor allem, seinen Neffen Anselm Franz in der müitärischen Laufbahn zu fördern; er wurde schließlich kaiserlicher General. Materialien dazu in MEA Korr. 4 und 91; Militaria 40; HHStA Wien Nachlaß Stadion 4. 37) Z. B. Schröcker Die neunte Kur 163 Anm. 30; 1708 hätte das bedrängte Erz­stift jeden Gulden gebraucht, doch erhielt der Kurfürst 20 000 Taler persönlich, das Erzstift 40 000 Taler Belohnung dafür, daß die neunte Kur vom Reich anerkannt wur­de. Mitteilungen, Band 33 8

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