Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 33. (1980)

SCHRÖCKER, Alfred: Die Amtsauffassung des Mainzer Kurfürsten Lothar Franz von Schönborn (1655–1729)

112 Alfred Schröcker Motivation oder das Ziel des Handelns bezeichneten. Der öffentlich-staatli­che Bereich ist dabei nicht etwa auf die Reichsstifte begrenzt, sondern be­zieht sich auch auf das Reich. Über die Würzburger Koadjutorie, die Lothar Franz für seinen Neffen Friedrich Karl anstrebte, schrieb er beispielsweise, „was ohnbeschreibliche advantage das publicum sowohl als das particulare unserer Familie durch diese Koadjutorie davontragen“ könnte30). Hier sind mit „publicum“ zweifellos das Stift, die Stifte an Rhein und Main, aber auch das Reich gemeint. Im positiven Sinn, aber nicht wertend wird im übrigen das Wort privat mit­unter deutlich dazu verwendet, vom amtlichen Bereich zu trennen; z. B. heißt es in der Abrechnung des Schloßbaus zu Pommersfelden: „verabfolgte gelder von I. chfl. Gn. privat“31). In der trennenden Bedeutung wird das Wort sogar im hausinternen Rahmen gebraucht: Mit der Wendung „zu meiner privat- freud und Vergnügung“ rechtfertigte Lothar Franz seine Bautätigkeit und Möbelanschaffung gegenüber möglichen Vorwürfen seiner ihn beerbenden Neffen32). Eine wichtige Voraussetzung, die Kategorien „öffentlich“ und „privat“ in diesem Sinn zu trennen, war neben der Grundstruktur des Wahlsystems und daraus folgend die genossenschaftliche Orientierung des in den Reichsstiften etablierten Adels. Die Interessen der Adeligen, die nicht eng mit den jeweils Regierenden verbunden waren, sich aber für die Zukunft Chancen und Ge­winn erhofften, boten dem Prinzip der Gewinnmaximierung durch eine Fa­milie oder eine Gruppe Einhalt. Aus der Vielfalt der Interessen am Staat im Sinne der subjektiven Nutzung folgte somit auch eine Objektivierung, um die Quelle des Gewinns auf die Dauer und für verschiedene Gruppen offen zu halten. Die Einschränkung der Gewinnmaximierung, also die Reduzierung auf eine Gewinnoptimierung im Sinne des gesamten interessierten Adels, drückte sich in der Trennung von „öffentlich“ und „privat“ aus. Auf den ersten Blick erscheint diese Haltung des Lothar Franz zwiespältig. Einerseits betrieb er mit allen Mitteln seine umfassende Hauspolitik, ande­rerseits verfocht er in konfessionellen und reichspolitischen, aber auch in­nenpolitischen Fragen das Interesse seiner beiden Staaten. Von seinem Selbstverständnis her ergab sich daraus jedoch kein Problem. Seine eigene Politik zugunsten der katholischen Konfession, der Reichsstifte und des Reichs orientierte sich einzig und allein am „bonum publicum“ und an nichts anderem33). Das Gemeinwohl war durch die verbal allgemein anerkannte Wertskala voll und vor allen anderen Interessen legitimiert. Lothar Franz identifizierte sich und das Haus Schönbom ganz mit diesem höchsten Wert. Daraus folgt: Das eigene private Interesse, besonders in Besitzerwerb und 30) 1708 Juli 14, LF eigh. an FK: AW Korr. FK 12. Die größten Hindernisse sind „ennemis et envieux de la famüle“; 1708 Januar 18, LF eigh. an FK: AW Korr. FK 12. 31) Quellen zur Geschichte 674 n. 873. 32) Archiv Schönborn-Buchheim, Wien, FA 241: LF eigh., Testamentsbeilage. 33) Schröcker Bischofswahlen 110, 112; Schröcker Ein Schönbom 12, 23.

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