Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 33. (1980)

SCHRÖCKER, Alfred: Die Amtsauffassung des Mainzer Kurfürsten Lothar Franz von Schönborn (1655–1729)

Lothar Franz von Schönborn 111 aber nicht nur darin, war eine Verwirklichung der Sonderinteressen nach Ansicht des Lothar Franz stets mit einem persönüch-privaten Interesse ver­bunden. Wenn beispielsweise das Hochstift Würzburg seine Truppen dem Fränkischen Kreis entziehen wollte, um damit ein Geschäft mit dem Wiener Hof zu machen, so steckte stets ein persönlich-privates Interesse des Fürsten oder seiner Minister dahinter25). Auf der Ebene innerhalb des einzelnen Reichsstiftes bedeutete die Trennung zwischen „privatum“ und „publicum“, daß zwischen dem öffentlich-staatlichen Interesse und einem Privatinteresse des Fürsten unterschieden wurde. Auch hier hatte moralisch gesehen das öf­fentlich-staatliche Interesse vor dem privaten Sonderinteresse des Fürsten den Vorrang. Das öffentliche oder allgemeine Interesse, als „publicum“ be­zeichnet, besaß undiskutiert den höheren Wert und qualifizierte die „Privat- passiones“26) ab, d. h. diejenigen Interessen, die nicht auf ein allgemeines Wohl zielten. Das Wort „privat“ konnte in diesem Sinne einen negativen Ak­zent tragen. Dazu läßt sich in der Korrespondenz von 1711 ein beachtens­werter Wortgebrauch beobachten. Nach dem Tod Kaiser Josefs I. fiel Lothar Franz ein, daß es für seine Familie „eine profitable Sach wäre“, den Neffen Franz Georg von Schönbom zu König Karl nach Barcelona zu schicken; doch könne er in der gegenwärtigen Lage die Kosten dafür nicht dem Erz­stift aufbürden, denn es hieße dann, daß es ohnehin aus Privatinteresse ge­schehen würde27). Aber gerade in diesem Zusammenhang kommt das Wort privat auch in einem positiven Sinn vor; zwei Tage später schien Lothar Franz die Mission des Franz Georg „zu nutzen des publici sowohl als meiner, des Herrn Reichsvizekanzler und der Familie Privatkonvenienz je mehr und mehr nötiger“28). Drei Wochen später hoffte er, daß die Reise für das „publi­cum als privatum“ gut ausgehen möchte29). Das private Interesse bestand hier in der erwarteten Belohnung bei der Königswahl, in einem günstigen Verhältnis zu König bzw. Kaiser Karl, also in wesentlichen Vorteüen finan­zieller oder positioneller Art, die auch sonst das „privatum“ charakterisier­ten. Hier ist auch klar ersichtlich, daß die Kategorien „privatum“ und „pu­blicum“ nicht eine Lebensform, sondern teils Handlungsbereiche, teils die 25) Z. B. 1702/03 der Würzburger Oberkämmerer Fuchs von Bimbach: MEA Korr. 59 fol. 474; 1702 November 17, LF an Gudenus und 1703 Februar 18, Johann Philipp Franz von Schönborn an LF: MEA RTA 307. 26) Z. B. 1716 Oktober 1, LF an Johann Philipp Franz von Schönborn: ÁW Korr. LF 816 (über die gegnerischen Eyb und Guttenberg). Vgl. Schröcker Bischofswahlen 145 („passiones“). 27) Orig.: „aus privat absehen geschehen thete“; 1711 April 23, LF eigh. an FK: AW Korr. FK 14; über die kritische Einstellung des Mainzer Domkapitels und vorsichtige Haltung des LF: Alfred Schröcker Das Verhältnis des Fürstbischofs Lothar Franz von Schönborn zum Mainzer Domkapitel (1695-1729) in Mainzer Zeitschrift 73/74 (1978/79) 147-156. 28) 1711 Aprü 25, LF eigh. an FK: AW Korr. FK 14; das Mainzer Interesse bestand vor allem in Subsidien und in der Sicherung seiner Rechte im Reich. 29) 1711 Mai 16, LF eigh. an FK: AW Korr. FK 14.

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