Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 33. (1980)
SCHRÖCKER, Alfred: Die Amtsauffassung des Mainzer Kurfürsten Lothar Franz von Schönborn (1655–1729)
Lothar Franz von Schönborn 109 le14). Einen Eklat wollte Lothar Franz vermeiden, weil er und sein Haus stets am Mainzer Erzstuhl selbst, aber auch an anderen Reichsstiften wie Würzburg15), Eichstätt, Speyer oder Trier16) interessiert waren. Im Grunde verhielt sich Lothar Franz in finanziellen Fragen wie die Beamten der Reichsstifte. Sie wurden regulär besoldet, verschafften sich aber, oft wohl auch mit Duldung des Fürsten, ein zusätzliches Einkommen durch Nebenabmachungen 17). Solche Nebenabsprachen wären für den Fürsten nicht nötig gewesen, wenn er nicht eine Trennung zwischen privaten und stiftischen (Kammer-) Finanzen praktiziert hätte. Beispielsweise erhielt Lothar Franz für seine Verdienste um die neunte Kur vom Hannoverschen Kurfürsten 30 000 Gulden persönlich, während Kurmainz offiziell 60 000 Gulden bekam18). Ergänzend ist auch festzuhalten, daß Lothar Franz seine Bamberger oder Mainzer Beamten nicht allgemein für private Dienste verwendete - z. B. für Rechtsgutachten, Verhandlungen beim Besitzerwerb oder bei Bischofswahlen -, sondern diese gewissermaßen nebenberuflichen Leistungen beruhten auf dem besonderen kurfürstlichen Vertrauen, auf neueren oder älteren gegenseitigen Patronagebeziehungen zum Haus Schönbom oder auf speziellen Fähigkeiten und Möglichkeiten einzelner Beamter. Manche Beamten verdankten Beginn und Ausbau ihrer stiftischen Karriere den privaten Beziehungen zu Lothar Franz. Schließlich ist auch zu erkennen, daß Lothar Franz einzelne Amtsinhaber trotz mangelnder Leistungen protegierte, weil er sie für private Zwecke benötigte19). 14) AW Korr. FK 11-13; Korr. LF 767; MEA Reichskanzlei und -taxamt 20. ls) Schröcker Personalunionsplan und Bischofswahlen 137ff. 16) Alfred Schröcker Der Nepotismus des Lothar Franz von Schönbom (1655-1729) in Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 43 (1980) 93-157. 17) Über die Beamten ausführlich: Alfred Schröcker Die Patronage des Lothar Franz von Schönbom (1655-1729). Sozialgeschichtliche Studie zum Beziehungsnetz in der Germania Sacra (Beiträge zur Geschichte der Reichskirche in der Neuzeit 10, Wiesbaden 1980). Vgl. Hans Goldschmidt Zentralbehörden und Beamtentum im Kurfürstentum Mainz vom 16. bis 18. Jahrhundert (Abhandlungen zur mittleren und neueren Geschichte 7, Berlin—Leipzig 1908) 197f. Ein verzweigtes Beispiel: Durch die Kaiserliche Kommission im Frankfurter Bürgerstreit verschaffte LF nicht nur seinem Bruder Melchior Friedrich und dem Neffen Rudolf Franz Erwein hohe Diätengelder, sondern auch dem Reichsvizekanzler Friedrich Karl von Schönborn, dem Mainzer Kanzler Berninger und sich selbst einige tausend Gulden Geschenke in Bargeld: Paul Hohenemser Der Frankfurter Verfassungsstreit 1705-1732 und die kaiserlichen Kommissionen (Veröffentlichungen der Hist. Kommission der Stadt Frankfurt am Main 8, Frankfurt/Main 1920) 58, 60, 78, 284. 18) Alfred Schröcker Die neunte Kur aus der Sicht des Mainzer Kurfürsten Lothar Franz von Schönborn in Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 5 (1979) 163 Anm. 30. Weitere Beispiele bei Schröcker Privatfinanzen. 19) Z. B. ein extremer Fall: der Bamberger und Würzburger Domkapitular, durch LF Vizedom in Kärnten, Phüipp Ernst Groß von Trockau: AW Korr. FK 20 und Geb. Korr. LF/FK 1721 passim. Aus dem bürgerlichen Bereich beispielsweise Johann Wilhelm Brenzer, der vom Wiesentheider Kanzleidirektor zum Bamberger Geheimen Rat avancierte: AW Korr. LF 893-895; StA Ba. A 2311 7114ff und A 2311 1955.