Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 33. (1980)
SCHRÖCKER, Alfred: Die Amtsauffassung des Mainzer Kurfürsten Lothar Franz von Schönborn (1655–1729)
DIE AMTSAUFFASSUNG DES MAINZER KURFÜRSTEN LOTHAR FRANZ VON SCHÖNBORN (1655-1729) Von Alfred Schröcker Durch den Begriff „Amt“ wird die hier zu untersuchende Frage, wie der Bamberger Fürstbischof sowie Mainzer Erzbischof und Kurfürst Lothar Franz von Schönborn1) seine herrschaftliche Tätigkeit als geistlicher Fürst in seinen zwei Territorien verstand, bereits in eine bestimmte Bahn gelenkt. Ein kurzer Bezug auf die Umwelt soll den Ort dieser Festlegung verdeutlichen. Im zeitgenössischen Absolutismus vor der Aufklärung sah der weltliche Fürst seine Stellung tendenziell nicht als eine von Menschen übertragene, sondern im Sinne des Gottesgnadentums als von oben gesetzte. Dies bezog sich nicht nur auf den einzelnen Herrscher, sondern auch auf die Dynastie. Parallel dazu sah der Monarch das Land, über das er herrschte, nicht als etwas Eigenständiges an, für das er tätig war, sondern neigte dazu, sich damit zu identifizieren: „der Inbegriff des Gemeinwesens und der alleinige Inhaber der staatlichen Macht“2). Aus dieser Sicht ist die monarchische Stellung nicht als ein Amt anzusehen3), und zwar einmal aus dem Grand, weü das *) 1693 Fürstbischof von Bamberg, 1694 Koadjutor in Mainz, 1695 Erzbischof und Kurfürst von Mainz. Biographische Literatur zuletzt von Alfred Schrökker Die Bischofswahlen von Bamberg 1693, Mainz 1694 und Würzburg 1699 aus der Sicht des Lothar Franz von Schönborn (1655—1729) in Berichte des Historischen Vereins Bamberg 114 (1978) 97-155 bibliographiert. - In den Anmerkungen werden folgende Abkürzungen benützt: AW = Schönborn-Archiv Wiesentheid; MEA = Mainzer Erzkanzlerarchiv im Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien (HHStA); StA Ba. bzw. Wü. = Staatsarchiv Bamberg bzw. Würzburg; LF = Lothar Franz von Schönborn, FK = Friedrich Karl von Schönborn, Korr. = Korrespondenz, Geb. Korr. = Gebundene Korrespondenz im AW; MzRA = Mainzer Regierungsarchiv im StA Wü.; RTA = Reichstagsakten. Quellenzitate werden orthographisch unter Wahrung des Lautstandes modernisiert. 2) Fritz Wagner Europa im Zeitalter des Absolutismus und der Aufklärung. Die Einheit der Epoche in Handbuch der europäischen Geschichte 4, hg. v. Theodor Schie- der (Stuttgart 1968) 87. Dazu jedoch die zeitliche Differenzierung bei Klaus Ma- lettke Fragestellungen und Aufgaben der neuen Absolutismus-Forschung in Frankreich und Deutschland in Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 30 (1979) 140, sowie inhaltliche Kritik und Abschwächung dieser Identifizierungsabsicht ebenda 144 (Ludwig XIV.). - Zum Stand der Absolutismus-Forschung außerdem J. S. Morrill French Absolutism as Limited Monarchy in The Historical Review 21 (1978) 961-972 und die Sammelwerke: Absolutismus, hg. v. Walther Hubatsch (Wege der Forschung 114, Darmstadt 1973); Der Aufgeklärte Absolutismus, hg. v. Karl Otmar Freiherr von Aretin (Neue Wissenschaftliche Bibliothek 67, Köln 1974); Die Entstehung des modernen souveränen Staates, hg. v. Hanns Hubert Hofmann (Neue Wissenschaftliche Bibliothek 17, Köln 1967). 3) Zur der Vorstellung „der Monarch Amtswalter Gottes auf Erden“ vgl. hingegen Wagner Europa 87.