Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 32. (1979)
WINTER, Otto Friedrich: In memoriam Wilhelm Kraus
NACHRUFE IN MEMORIAM WILHELM KRAUS Am 21. Juli 1978 erlag wirklicher Hofrat Wilhelm Kraus, Direktor des Kriegsarchivs i. R., im 78. Lebensjahr einer heimtückischen, zu spät erkannten Erkrankung und fand auf dem Döblinger Friedhof in Wien seine letzte Ruhestätte. Es erscheint angebracht, in dieser Zeitschrift sein Leben und sein Wirken als Archivar und Historiker pietätvoll zu würdigen. Geboren wurde er am 27. Oktober 1900 in Haibach (Gemeinde Freinberg, Bezirk Schärding, Oberösterreich), wo sein Vater als Gendarmeriepostenkommandant bedienstet war. Der Vater Adam Kraus stammte aus Webrowa (Gemeinde Taschlo- witz, Bezirk Bischofteinitz), also aus dem böhmischen Raum, mit dem späterhin das Leben des Sohnes mehrmals verknüpft werden sollte. Er trat nach dem Militärdienst 1889 zur Gendarmerie über und heiratete am 9. Jänner 1900 in Linz Juliane Auböck aus Ried (bei Mauthausen, Bezirk Perg, Oberösterreich). Die Übernahme in den Zivildienst als Kanzlist und dann Grundbuchführer bei der Bezirkshauptmannschaft Gmunden (Oberösterreich) bedingte auch die Übersiedlung der Familie dorthin. In Gmunden, dem Wilhelm Kraus zeitlebens als seiner engeren Heimat verbunden blieb, besuchte er die Volksschule und das Realgymnasium, dort legte er auch am 9. Juli 1919, also schon nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, in dem er nicht zum Militärdienst herangezogen worden war, die Reifeprüfung ab. Er begann das Studium an der philosophischen Fakultät der Universität Innsbruck (mit den Fächern Germanistik und Geschichte) im Wintersemester 1919 und setzte es ab dem Wintersemester 1921 an der philosophischen Fakultät der Universität Wien (Fächer: Geschichte und Kunstgeschichte) fort. Die ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse zwangen ihn, schon 1919/20 als Bibliothekar beim Historikerverein in Innsbruck einer Nebenbeschäftigung nachzugehen; nach seiner Übersiedlung nach Wien trat er in den Bibliotheksdienst des Wiener Volksbildungsvereins ein und wurde 1926 Leiter der Ludo-Hartmann-Büche- rei im 16. Bezirk. Von 1923 bis 1925 gehörte er dem 34. Kurs des Instituts für österreichische Geschichtsforschung als ordentliches Mitglied an, gemeinsam mit so prominenten Persönlichkeiten wie Heimito Doderer, Karl Helleiner, Franz Hüter, Alphons Lhotsky, Rudolf Pühringer und Friedrich Wessely, und legte die Staatsprüfung mit dem Institutsarbeitsthema Die Entstehung der Fälschungen von deutschen Kaiser- und Königsurkunden vom 9. bis zum 13. Jahrhundert mit Erfolg ab. Am 22. Juli 1927 wurde er — nach Vorlage der Dissertation Die Geschichte des Zehents in Österreich von den Anfängen bis ins 13. Jahrhundert — zum Doktor der Philosophie promoviert. Ein erster Versuch, in einer dem erworbenen Fachwissen entsprechenden Position Fuß zu fassen, schlug fehl: Er erhielt zwar im Herbst 1927 eine Anstellung als Archivar im fürstlich Windischgrätz’schen Archiv in Tachau in Böhmen, ver-