Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 32. (1979)
NEUHAUS, Helmut: Ferdinands I. Reichstagsplan 1534/35. Politische Meinungsumfrage im Kampf um die Reichsverfassung
30 Helmut Neuhaus die Königswahl vivente imperatore aussagte21), so auch nichts über einen ersten Reichstag nach einer Wahl unter solchen Umständen. Aber sie schloß das eine und folglich auch das andere nicht ausdrücklich aus22), denn zu Beginn des ersten Kapitels heißt es: ,,[•••] quotienscumque et quandocumque futuris temporibus necessitas sive casus electionis regis Romanorum in imperatorem promovendi emerserit [.. ,]“23). In den Aufgaben, die den jungen Königen neben ihren kaiserlichen Vätern zufielen, unterscheiden sich Wenzel und Maximilian I. sehr wesentlich. Karl IV. übertrug seinem Sohn schon am 22. Februar 1377 für die Zeit, „so wir in denselben Tewtschen landen nicht gegenwertig sein“, die Reichsverweserschaft in allen nicht direkt dem Luxemburgischen Hause unterworfenen Reichsteilen und stattete ihn mit „keiserlicher machtevollekomenheit in kraft ditz briefes“ aus, damit er als Römischer König regieren konnte „gleicher weise als ob wir daz selber mit keiserlicher mechte getan heten und tétén“24). Demgegenüber waren die Befugnisse Maximilians I. seitens seines Vaters nach seiner Königswahl eingeschränkt, denn Friedrich III. beharrte auf seiner ungeschmälerten Gewalt und hatte sich „das Regiment des heiligen Reichs furbehalten“25). Er hatte in die Wahl seines Sohnes überhaupt erst eingewüligt, nachdem dieser sich ausdrücklich verpflichtet hatte, „ihm zeitlebens an der Regierung des Reichs sowie der Ausübung aller ihm sonst noch zustehenden Hoheitsrechte ,khainerley irrung (zu) tun noch sich deshalben etwas wider1 ihn anzunehmen“26). Der junge König sollte offensichtlich in erster Linie weiterhin nur die Aufgaben wahrnehmen, mit denen er schon vorher als Sohn des greisen Kaisers betraut gewesen war. Daß er dennoch sehr bald eigenes Profil gewann, ist auf seinen Gegensatz zum Kaiser27) und seine Zusammenarbeit mit Berthold von Henneberg, dem Haupt der ständischen Reichsreformbewegung28), zurückzuführen. 21) Ansonsten regelte sie „alle Modalitäten der deutschen Königswahl genauestens [...], so genau jedenfalls, daß es bis 1806 dazu keiner Ergänzung bedurfte“: Seibt Karl IV. 252. - Bernd-Ulrich Hergemöller hat zuletzt davon gesprochen, man könne „letztlich auch in den Wahlbestimmungen, die einer Sohneswahl vivente imperatore nicht ausdrücklich zuwiderliefen und die die päpstliche Approbationsforderungen vollständig übergingen, noch kaiserliche Interessen sehen“, wobei er in Rechnung stellte, „daß ein Fortleben der luxemburgischen Dynastie als Reichsträger zu den Grundgedanken Karls zählte“: Die Goldene Bulle - Karl IV. und die Kunst des Möglichen in Ferdinand Seibt [Hg.] Kaiser Karl IV., Staatsmann und Mäzen (München 1978) 143-146, hier 145. 22) Lies Die Wahl Wenzels 53 ff, 69. 23) GB cap. I [1] 46. 24) RTA alt. Rh. 1 185 f (Zitate 186) n. 101. 25) Alfred Schröcker unio atque concordia. Reichspolitik Bertholds von Henneberg 1484 bis 1504 (phil. Diss. Würzburg 1970) 34. - Zur unterschiedlichen Beurteüung der maximilianeischen Königswahl ebenda 30-34 mit Anm. 26) Bock Doppelregierung 284; ebenso Dickmann Der Westfälische Frieden 154. 27) Bock Doppelregierung passim. 28) Schröcker unio atque concordia passim, bes. 61—123.