Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 32. (1979)

NEUHAUS, Helmut: Ferdinands I. Reichstagsplan 1534/35. Politische Meinungsumfrage im Kampf um die Reichsverfassung

Ferdinands I. Reichstagsplan 1534/35 29 zel die Nachfolge im Reich sichern wollte16). Ein zweites Mal war es dann Ferdinands I. Großvater Maximilian I., der am 16. Februar 1486 zu einem Zeitpunkt in Frankfurt zum Römischen König gewählt und am 9. April 1486 in Aachen gekrönt worden war17), als sein Vater Friedrich EIL noch die Re­gierungsgeschäfte als Kaiser und König führte 18). In beiden Fällen aber scheint die Bestimmung der Goldenen Bulle über den ersten Reichstag eines neugewählten Römischen Königs, die zu den ganz vereinzelten über den al­ten deutschen Reichstag in der Reichsverfassungsgeschichte überhaupt ge­hört19), keine Rolle gespielt zu haben20). Wie die Goldene Bulle nichts über 16) Zum Hintergrund Seibt Karl IV. 343ff. Die Frage des Verhältnisses einer Wahl vivente imperatore zum Reichsgrundgesetz der Goldenen Bulle ist vielfältig und kon­trovers erörtert worden; die gegensätzlichen Positionen markieren am deutlichsten Karl Zeumer Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV., 1. Teü: Entstehung und Bedeutung der Goldenen Bulle (Weimar 1908) 187 f, der die Möglichkeit einer Wahl vivente impe­ratore entschieden verneint, und Richard Lies Die Wahl Wenzels zum Römischen Kö­nige in ihrem Verhältnis zur Goldenen Bulle in Historische Vierteljahrschrift 26 (1931) 47—95, der eine solche Wahl nicht für ausgeschlossen hält. — Zuletzt hat Dickmann Der Westfälische Frieden 154 festgestellt, daß die Frage der rechtlichen Zulässigkeit einer Königswahl vivente imperatore im Zusammenhang mit den Grundsätzen einer freien Wahl umstritten war: „Solange das Geblütsrecht nachgewirkt und die Königs­wahl eigentlich nur dazu gedient hatte, den vom Kaiser designierten Nachfolger zu be­stätigen, war es natürlich, daß sie zu seinen Lebzeiten stattfand“; in der Goldenen Bulle fand er allerdings für eine solche Königswahl „keinen Raum mehr“. Gleichwohl konnte auch Dickmann die Tatsache nicht übersehen, daß Karl IV. „die Wahl seines Sohnes Wenzel noch zu seinen Lebzeiten erlangte“ (ebenda 154). 17) Zur Wahl Maximilians I. zuletzt zusammenfassend Hermann Wiesflecker Kaiser Maximilian I. Das Reich, Österreich und Europa an der Wende der Neuzeit 1: Jugend, burgundisches Erbe und Römisches Königtum bis zur Alleinherrschaft 1459-1493 (München 1971) 182-199; dort in den Anm. 472 ff auch alle wichtigere Spe­zialliteratur und die Quellen. ls) Vgl. hierzu Emst Bock Die Doppelregierung Kaiser Friedrichs III. und König Maximilians in den Jahren 1486-1493. Ein politisch-historisches Generationsproblem in Aus Reichstagen des 15. und 16. Jahrhunderts (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 5, Göttingen 1958) 283-340. Dickmann Der Westfälische Frieden 154, hat hervorgehoben, daß die Kur­fürsten „gegen den Widerstand Friedrichs III. die Wahl seines Sohnes Maximilian durchsetzten“, und folgerte: „Die Königswahl zu Lebzeiten eines Kaisers konnte also sehr wohl auch gegen ihn gerichtet sein, doch lag wohl die Gefahr näher, daß das re­gierende Haus sie zugunsten eigener Erbreichspläne benutzte“. 19) Friedrich Hermann Schubert Die deutschen Reichstage in der Staatslehre der frühen Neuzeit (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Aka­demie der Wissenschaften 7, Göttingen 1966) 66; ansonsten „erwähnt die Goldene Bulle den Reichstag lediglich nebenher und vornehmlich nur in der Weise, daß das Ze­remoniell festgestellt wird, in dem die Kurfürsten auf ihm zu erscheinen hatten“ (ebenda 66). Schubert hebt deshalb zu recht hervor, daß auch für Reichskammerge­richt, Reichsregimenter und Reichskreise im 15. und 16. Jahrhundert zum Teü sehr ge­naue Statuten geschaffen wurden und für diese Reichsverfassungsorgane wie für Kai­serwahl und Rechte der Kurfürsten schon im 14. Jahrhundert „eine für die Verhält­nisse der Zeit überaus eingehende gesetzliche Regelung gefunden“ worden war. „Nur beim Reichstag blieb eine solche aus“ (ebenda 65). 20) Vgl. Heinrich Lutz Karl V. und Bayern. Umrisse einer Entscheidung in Zeit­schrift für bayerische Landesgeschichte 22 (1959) 13—41, hier 23 mit Anm. 28.

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