Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 32. (1979)

NEUHAUS, Helmut: Ferdinands I. Reichstagsplan 1534/35. Politische Meinungsumfrage im Kampf um die Reichsverfassung

28 Helmut Neuhaus in der Verfassungstheorie mußte als ein allererster Schritt des Reiches in eine Erbmonarchie gesehen werden, auf jeden Fall aber die Königswahl für die Kurfürsten nicht mehr disponibel machen und ins tagespolitische Kalkül einbeziehen. Um seine Wahl von 1531 in solchen Verfassungsdiskussionen nicht erneut ins Gerede bringen zu lassen, die seiner politischen Stellung ab­träglich sein mußten, wollte Ferdinand die Zeit gleich nach seiner allgemei­nen Anerkennung nutzen, um einer klaren Bestimmung des Reichsgrundge­setzes von 1356 zu genügen: ,,[...] ut regis Romanorum futuri imperatoris in civitate Frankenfordie celebraretur electio et prima coronacio Aquisgrani et in opido Nuremberg prima sua regalis curia haberetur“13). Bei ei­ner Verwirklichung dieses Zieles hätte Ferdinand alles erfüllt, was man von einem neugewählten Römischen König verlangte: zu der Ende 1534 nicht mehr angefochtenen Wahl die Krönung in Aachen und dann auch den ersten Reichstag in Nürnberg14). Die Wahl Ferdinands I. war allerdings nicht die erste Königswahl vivente imperatore in der deutschen Geschichte seit der Gültigkeit der Goldenen Bulle. Noch zur Zeit Karls IV. selbst kam es am 10. Juni 1376 zu einer sol­chen Wahl15) (Krönung am 6. Juli 1376), der ersten nach dem Erlaß der Gol­denen Bulle überhaupt und der ersten, mit der der Kaiser seinem Sohn Wen­,3) GB cap. XXIX [1] 87 (Hervorhebung vom Vf.). 14) Diese Bestimmung der Goldenen Bulle von 1356 spielt auch noch in jenem Aus­führliche [n] Bericht, wie es uff Reichstagen pflegt gehalten zu werden aus dem Jahre 1569 eine Rolle: vgl. Traktat über den Reichstag im 16. Jahrhundert. Eine offiziöse Darstellung aus der Kurmainzischen Kanzlei, hg. und erläutert von Karl Rauch (Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte des Deutschen Reiches in Mittelalter und Neuzeit 1, Weimar 1905). Neben dem Hinweis auf die Goldene Bulle steht dort der auf den Augsburger Reichstagsabschied von 1566 (ebenda 43 f), in dem Kaiser Maximi­lian II. über diesen seinen ersten Reichstag am Ende erklärte: „Wiewohl dann letztlich nach altem Herkommen, Gewohnheit und Gebrauch Unserer löblichen Vorfahren am Reich, nach außweisung der Gülden Bull Unser Erster Königlicher Hoff in Unser und des Heil. Reichs Stadt Nürnberg gehalten werden soll“, hätten Kriege dies verhindert; indem er aber ,,auß erheblichen ehehafften bewegenden Ursachen diesen Unsern er­sten Reichs-Tag anhero gen Augspurg verlegt“ hätte, „so soll hierdurch gedachter Un­serer und des Heil. Reichs Stadt Nürnberg an ihren alten Herkommen, Gewohnheit und Gebrauch, auch der Gülden Bullen Haltung halben des ersten Königlichen und Kayserlichen Hoffs daselbsten zu Nürnberg nichts nicht derogirt, abgebrochen und benőmen seyn“, und auf jeden Fall sollte der Reichstag von 1566 „in künfftigem zu keinem Exempel oder Folge genannter Stadt Nürnberg zu Nachtheil gezogen und ein­geführt“, also durch ihn kein Präjudiz geschaffen werden; vgl. Neue und vollständi­gere Sammlung der reichs-abschiede, welche von den Zeiten kaiser Konrads II. bis jetzo auf den Teutschen reichs-tägen abgefasset worden, samt den wichtigsten reichs-schlüs- sen, so auf dem noch fürwährenden reichstage zur richtigkeit gekommen sind (Frank­furt a. M. 1747) 3, Augsburg 1566, § 180, 239 (zit. RA mit Angabe von Bd., Reichstag, §§ und Seite). ls) Mit den Akten dieser Wahl beginnt die Edition der Deutschen Reichstagsakten, weshalb wir über sie besonders gut informiert sind: Deutsche Reichstagsakten unter König Wenzel 1, 1. Abt. 1376-1387, hg. von Julius Weizsäcker (München 1867) 1—182 (zit. RTA ält. Rh., Bd.); siehe auch das Vorwort von Weizsäcker ebenda LXXXV ff. - Vgl. dazu jetzt auch Ferdinand Seibt Karl IV. Ein Kaiser in Europa 1346-1378 (München 1978) 325-332, bes. 3311

Next

/
Thumbnails
Contents