Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 32. (1979)

EGGER, Rainer: Archivalien des Kriegsarchivs Wien über die Familie Papst Johannes Pauls II.

264 Rainer Egger Der Vater des Papstes, ebenfalls Karol (Karl) Wojtyla mit Namen, kam am 18. Juli 1879 in Lipnik, einer Kleinstadt mit mehrheitlich deutscher Bevölke­rung im Bezirk Biala/Galizien, als Sohn des Schneiders Matthias Wojtyla und seiner Frau Anna, geborener Przeczek, zur Welt4). Er besuchte fünf Klassen der deutschen Volksschule in Biala und drei Gymnasialklassen am deutschen Gymnasium in Bielitz in Österreichisch-Schlesien, dann erlernte er wie sein Vater den Beruf eines Schneiders. Diesen Beruf dürfte er aber nicht lange ausgeübt haben, denn im März 1900 wurde Wojtyla seinem Alter entsprechend der Stellung unterzogen, bei dieser für tauglich befunden und assentiert für das k.u.k. Infanterieregiment Graf Daun Nr. 56. Anfang Okto­ber rückte er zur 5. Kompanie dieses Regiments, dessen Mannschaftsstand überwiegend polnischer Nationalität war, nach Krakau ein. Das Regiment ergänzte sich aus dem westgalizischen Ergänzungsbezirk Wadowice, der die politischen Bezirke Biala, Myslenice, Saybusch und Wadowice umfaßte, in den Jahren nach 1900 lag es in Wadowice und in Krakau in Garnison. In Krakau erhielt Wojtyla seine militärische Ausbildung, am 26. Mai 1901 rückte er zum Gefreiten und am 15. September 1901 zum Korporal vor. Von September 1901 bis Oktober 1903 war der auf Grund seiner höheren, wenn auch nicht abgeschlossenen Schulbildung sicherlich über seine Kameraden herausragende Korporal Wojtyla der k.u.k. Infanteriekadettenschule in Lem­berg als Aufsichtscharge zugeteilt; während dieser Zeit erfolgte seine Beför­derung zum Zugsführer (16. August 1902). Im Oktober 1903 wäre die dreijährige gesetzliche Dienstzeit Wojtyla’s zu Ende gewesen, er entschloß sich jedoch, weiterzudienen und die Laufbahn eines längerdienenden Unteroffiziers einzuschlagen. Wieder bei seinem Re­giment eingeteilt, diente er zunächst in dessen 1. Kompanie in Krakau, im Juni 1904 erhielt er den Titel eines Feldwebels, im September dieses Jahres kam Karl Wojtyla dann zum Ersatzbataillonskadre des Infanterieregiments Nr. 56 nach Wadowice. Hier dürfte er in die Geschäfte eines Rechnungshilfs­arbeiters eingeführt worden sein, bis er am 12. Februar 1905 zur 3. Feldkom­panie transferiert wurde. Mit 1. April 1905 zum Rechnungsunteroffizier übersetzt, diente er zunächst bei dieser Kompanie, dann als Hilfskraft des Regimentsadjutanten beim Regimentsstab in Krakau. Aus dem Jahre 1908 liegt uns eine Konduiteliste dieses Unteroffiziers vor. Wojtyla sprach und schrieb deutsch und polnisch vollkommen, er verfaßte Konzepte sehr gut, Reinschriften sehr korrekt und nett, war auch ein flinker Maschinschreiber. Er hatte einen „äußerst gut entwickelten biederen Cha­rakter“, war ernst, sehr gesetzt, bescheiden, „ehrliebend“, mit hochentwik- keltem Pflichtgefühl, sehr gutmütig und unverdrossen. Als Hilfskraft und Stütze des Regimentsadjutanten war er in allen Zweigen des Kanzleidienstes vorzüglich ausgebildet und verwendbar, in den Vorschriften war er sehr be­wandert. Mit Regimentskommandobefehl vom 24. März 1908 wurde Wojtyla 4) Vgl. das Grundbuchsblatt und die Eintragung im Trauungsbuch des Infanterie­regiments Nr. 56 unten Anm. 10.

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