Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 32. (1979)

HAAS, Hanns: Die Vereinigten Staaten von Amerika und die alliierte Lebensmittelversorgung Österreichs im Winter 1918/19

250 Hanns Haas Mittlerweile aber übernahm Italien, und zwar mit Zustimmung der Alliier­ten, die Versorgung Österreichs. Die Unterhandlungen über die italienische Lebensmittelhilfe sind ein Beweis mehr für die zögernde Haltung der Ameri­kaner. Zwar hatte Taylor grundsätzlich nicht so Unrecht, wenn er am 26. Dezember meinte, ein Tauschgeschäft Getreide gegen Holz, wie es die Ita­liener als Grundlage einer Versorgung Österreichs vorschlugen, liefe darauf hinaus, daß die Italiener mit amerikanischem Getreide Geschäft betrieben, — da ja Italien von den USA versorgt wurde"). Doch verlangte die italienische Delegation dann ohnehin nur eine anteilmäßige Beteiligung der Verbündeten an den finanziellen Aufwendungen für die Aktion und später eine Hypothek auf österreichischen Waldbesitz. Als auch diese Lösung nicht annehmbar er­schien, begnügte sie sich am 28. Dezember sogar mit dem Erlag von 18 Mil­lionen österreichischer Papierkronen als Sicherstellung ihrer Lieferungen 10°). Auf der Grundlage dieses Vorschlages kam es dann endlich am 31. Dezember 1918 zu einem Übereinkommen zwischen der österreichischen Regierung und der alliierten Kommission, das Österreich die Lieferung von 4000 Tonnen Getreide gegen die Deponierung der genannten 18 Millionen Papierkronen sicherte* 101). Am 2. Jänner 1919 traf die interalliierte Lebensmittelkommission in Wien ein102). Die amerikanischen Unterhändler bedrängten — im Gegensatz zu den Delegationen der Ententemächte, die ohne Vorbedingungen, wenn auch nur das Notwendigste senden wollten103) - die österreichische Regierung weiter­hin, entsprechende Sicherstellungen zu bieten104). Unter dem Eindruck der österreichischen Versorgungslage aber erklärten schließlich auch sie sich be­reit, dem schon in Bern verhandelten Vorschlag zuzustimmen und die Ver­sorgung Österreichs für einen Monat zu garantieren und daher 30.000 Ton­nen Lebensmittel anzuliefern. Am 8. Jänner Unterzeichneten Mitglieder der interalliierten Kommission und die österreichischen Unterhändler ein Ab­kommen, dem die Konstruktion des Berner Vertrages zugrundelag105). Dies­mal wurde die österreichische Regierung dazu verpflichtet, im italienischen Oberkommando in Innsbruck zusätzlich zu den schon übergebenen 18 Mil­lionen Kronen weitere 132 Millionen zu hinterlegen. Die endgültige Regelung der finanziellen Frage wurde auf eine Besprechung in Paris verschoben. Am 5. Jänner trafen die ersten 305 Tonnen Lebensmittel in Österreich ein106). Schon am 9. Jänner informierte die American Commission to Negotiate Peace ") Bane - Lutz Organization 118. 10°) Vilgrain an Ministére du Commerce, 1918 Dezember 28: siehe Anm. 92. 101) Mitteilungen des Staatsamtes für Volksernährung 10 f. 102) Ebenda 12 ff. 103) Die französische Delegation wurde am 8. Jänner 1919 angewiesen, nur Fragen zu regeln, die absolut nicht mehr aufgeschoben werden könnten: AN F 12 8087 Ravi- taillement Autriche. 104) Haguenin an Ministére du Commerce, 1919 Jänner 8 Prag: AN F 12 Mission Trieste. 105) Mitteilungen des Staatsamtes für Volksernährung 12 ff. 106) Ebenda 13.

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