Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 32. (1979)

HAAS, Hanns: Die Vereinigten Staaten von Amerika und die alliierte Lebensmittelversorgung Österreichs im Winter 1918/19

Amerika und die Lebensmittelversorgung Österreichs 249 the first few weeks“91). Die französischen, britischen und italienischen Dele­gierten bei den Berner Unterhandlungen hingegen wollten in Anbetracht der Dringlichkeit der österreichischen Versorgung die Regelung der finanziellen Frage vorerst zurückstellen. Die französischen Unterhändler Genestal und Haguenin kritisierten daher die amerikanische Vorgangsweise und befürwor­teten die Entsendung einer interalliierten Kommission nach Wien92). Nun war die amerikanische Verhandlungstaktik nicht zuletzt von der Be­fürchtung bestimmt, die europäischen Alliierten würden die USA aus huma­nitären Gründen zur Gewährung einer Anleihe für Österreich zwingen, selbst aber den größten Wert darauf legen, die Österreich noch verbliebenen Werte, insbesondere den Goldschatz und gewisse Wertpapiere für künftige Repara­tionsleistungen zu sichern93). Doch verhinderte alleine schon das Mißtrauen der Alliierten untereinander einen Alleingang in der Frage der Lebensmittel­versorgung; in Anbetracht der politischen wie der wirtschaftlichen Bedeu­tung der österreichischen Versorgungsfrage legte der französische Unter­händler etwa als Grundsatz fest, daß sie auf einer strikt internationalen Ba­sis erfolgen müsse94). Unter diesen Voraussetzungen kam die interalliierte Delegation am 27. Dezember zum Schluß, ihren Regierungen bzw. Hoover vorzuschlagen, Österreich auf Kredit aller alliierten und assoziierten Staaten ohne Verzögerung 30.000 Tonnen Mehl zu senden95). Hoover gab zwar am 28. Dezember seine Zustimmung zur weiteren Behand­lung der österreichischen Versorgungsfrage und ermächtigte Taylor, nach Wien zu reisen. Im Gegensatz zu den Ententeregierungen aber verlangte er weiterhin eine sofortige Sicherstellung für die Zusendungen und erteilte Tay­lor daher den Auftrag, von Wiener Banken ein schriftliches Abkommen zu verlangen, das den Amerikanern das Pfandrecht über das österreichische Ei­gentum in den Vereinigten Staaten einräume96). Hoover hielt es darüber hin­aus nicht für ausgeschlossen, daß eine endgültige Entscheidung erst nach Taylors Rückkehr aus Bern erfolgen könne97). Die Vertreter der Entente­mächte nahmen mit Befremden wahr, daß Hoover mm selbst die Entschei­dung über die ohnehin bescheidene Aushilfe von 30.000 Tonnen Mehl von ei­ner Regelung der finanziellen Frage abhängig machen wollte, eine Haltung, die den französischen Delegierten schädlich für das Ansehen der Alliierten und deren Interessen schien98). Doch gelang es ihnen vorerst nicht, die ame­rikanische Delegation umzustimmen. Ohne entsprechende Sicherstellungen gingen die USA keine Verpflichtungen ein. 91) Bane — Lutz Organization 118. 92) Clinchant an Ministére du Commerce et de l’Industrie, 1918 Dezember 25: Ar­chives Nationales Paris (= AN), F 12 8087 Ravitaillement Autriche. 93) Bane — Lutz Organization 118. 94) Haguenin an Ministére du Commerce, 1918 Dezember 25: wie Anm. 92. 95) Mitteilungen des Staatsamtes für Volksernährung 10 f. 96) Bane - Lutz Organization 128. 97) Ebenda 129. 9S) Dutasta an Ministére du Commerce, 1918 Dezember 31: siehe Anm. 92.

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