Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 32. (1979)

FORST-BATTAGLIA, Jakub: Die Orientfrage in den Jahren 1875–1878 und das Dilemma der polnischen Konservativen Galiziens

230 Jakub Forst-Battaglia Überzeugung ausgesprochen, daß ein Aufruhr in Kongreßpolen unzeitgemäß, ja einfach wahnwitzig wäre. Auf die Innenpolitik anspielend, riet Tamowski seinen galizischen Landsleuten, ,in Österreich die Rechte und die Selbstän­digkeit der Völker zu vertreten und diese Ziele zu verfechten, für uns und für die anderen, hauptsächlich für die Slawen“58). An der erwarteten slawisch-feudalen Regierungskoalition in Wien sollten sich die konservativen Polen aktiv beteiligen. Endlich stand ihrem langer­sehnten Wunsch, die Politik der Monarchie nicht nur zu unterstützen, son­dern selbst mitzugestalten, kein Hindernis mehr im Wege59). So nimmt es nicht wunder, daß die Konservativen auf parlamentarischem Boden trotz letzter Zweifel die Okkupation Bosniens nachträglich billigten. Um ihren Standpunkt glaubwürdig zu verteidigen, stellten sie die Besetzung türkischen Hoheitsgebiets durch österreichisch-ungarische Truppen als vielverspre­chende Maßnahme zum Schutz der Monarchie und der Südslawen vor pan- slawistischer Agitation hin60). Der lautstarke Protest der polnischen Linken gegen die Okkupationspolitik äußerte sich in einer Rede des Abgeordneten von Brody, Otto Hausner (4. November 1878) und in Lemberger Straßenkrawallen (11. November 1878). Er fand seinen Widerhall in der Publizistik, vermochte aber nicht, die nunmehr unerschütterliche Stellung der Konservativen zu schwächen61). Am 27. Januar 1879 genehmigte der Polenklub mit der Mehrheit des Parlaments den Berliner Vertrag der Großmächte62). Um der Propaganda der Gegner, die 5S) Czas n. 170, 1878 Juli 27 (Program Czasu). 59) Ebenda. 60) Czas n. 226, 1878 Oktober 2. 61) Siehe die Wiener Reden Grocholskis (Stenographisches Protokoll. Haus der Ab­geordneten des österreichischen Reichsrats 8. Session 404. Sitzung, 1878 November 4: 13032-13035) und Dunajewskis (Stenographische Sitzungsprotokolle der Delegation des Reichsrats 11. Session 10. Sitzung, 1878 Dezember 5: 190-195), sowie die Lember­ger Kampagne ostgalizischer Konservativer: Mowa Dra Juliana Czerkawskiego prze- ciwko nadaniu obywatelstwa honorowego p. O. Hausnerowi miana dnia 9 Listopada 1878 r. na posiedzeniu Rady M. Lwowa [ Rede Dr. Julian Czerkawskis gegen die Ver­leihung der Ehrenbürgerschaft an Herrn Otto Hausner, gehalten am 9. November 1878 in der Sitzung des Lemberger Gemeinderats] (Krakow 1878), List otwarty do WPana Ottona Hausnera posla do Rady Panstwa, Lwów 28. XI. 1878, Dawid Abrahamowicz, posel na sejm krajowy und II. List otwarty do WPana Ottona Hausnera posla do Rady Panstwa, Lwów 4. XII. 1878, Dawid Abrahamowicz, posel na sejm krajowy [Offene Briefe an Herrn Otto Hausner, Abgeordneten zum Reichsrat, Lemberg 28. 11. und 4. 12. 1878, Dawid Abrahamowicz, Landtagsabgeordneter]. 62) Mit äußerst geschickten Argumenten rechtfertigte Tarnowski in einem Arti­kel die Vorgangsweise Andrássys und der polnischen Konservativen während des Jah­res 1878 (Po kongresie berlinskim [Nach dem Berliner Kongreß] in Studya Polityczne 1 239-327), obzwar er einen österreichisch-russischen Krieg für die Zukunft nicht aus­schloß. Auch im engsten Kreise der Konservativen und ihrer Freunde herrschte Zu­friedenheit über die eigene Taktik, die in der Befolgung eines goldenen Mittelwegs zwischen den Erwartungen der polnischen Öffentlichkeit und denen der Regierung be­standen habe: BZNO 6531/11: Stanislaw Kozmian an Aleksander Szukiewicz, 1878 Juli 15 Krakau, August 6 und 8 Gräfenberg (Lazné Jesenik). Kozmian äußerte im Brief

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