Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 32. (1979)
HÖFLECHNER, Walter: Anmerkungen zu Diplomatie und Gesandtschaftswesen am Ende des 15. Jahrhunderts
12 Walter Höflechner Worms nach dem oberitalienischen Raum etwa gleich jener nach London zu setzen ist, die nach Medina dei Campo, einem bevorzugten Aufenthaltsort der spanischen Könige in der Nähe Valladolids, mit dem Dreifachen zu veranschlagen ist; auch darf nicht außer Acht gelassen werden, daß die Route nach Spanien teilweise zur See läuft und schon damit den gut ausgebauten Verkehrswegen aus dem Reich nach Flandern — an den Kanal - oder Oberitalien in Hinblick auf die Reisegeschwindigkeit der Kuriere wohl unterlegen war, mochte auch der Kanal bei schlechtem Wetter eine nicht unwesentliche Verzögerung bedeuten26). Auch die Strecke, die die spanischen Kuriere nach London zurückzulegen hatten, belief sich zur See zumindest auf das Doppelte der erstgenannten Distanz - wobei die Biscaya nicht immer ein freundliches Gewässer und die Nähe der französischen Küste zu meiden war — und zu Lande auf ein Mehrfaches. Damit wurden die spanischen Könige nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich in eine spezielle Situation versetzt, die sie natürlich durch eine Verbesserung der Nachrichtenübermittlung und durch die Entsendung ihrer besten Gesandten, die zudem mit weitgehenden Vollmachten ausgestattet waren, zu meistern suchten. Tatsächlich ist ein Großteil der Agenden dann durch die Gesandten der Ligamächte am Hofe Maximilians immittelbar und in oft für die damalige Zeit sehr kurzen Verhandlungen besorgt worden, die natürlich stets auf der Höhe der jeweiligen politischen Entwicklung waren, was zur Folge hatte, daß die spanischen Könige der Tätigkeit ihrer Gesandten nur mehr in gewissem Abstand folgen konnten - mit einer Verzögerung im Minimalfall von 25 Tagen, von einem Monat und mehr, je nach ihrem jeweiligen Aufenthalt innerhalb Spaniens (ein Zeitraum, dessen Bedeutung und Wirksamkeit sich natürlich jeweils nach der den Ereignissen und nach dem den Ereignissen innewohnenden Überraschungsfaktor bemißt). Schwierigkeiten konnten dabei und haben in- soferne sich ergeben, als die spanischen Könige selbst die Koordination der der bezahlt, für besondere Leistungen erhielten sie zusätzliche Prämien. - Auf Routen, auf denen es in einzelnen Ländern (Frankreich, in den italienischen Staaten, dann auch im Reich, vgl. Anm. 42 u. 43) bereits feste Postlinien gab, erfolgte die Depeschenbeförderung auf diesen, mitunter im kombinierten Betrieb. 26) Während die Landrouten zu jeder Jahreszeit und bei jedem Wetter benützt werden konnten, waren die Seekuriere vom Wetter abhängig, und zahlreiche Quellenstellen weisen auf sehr lange Wartefristen wegen widrigen Windes oder Sturms hin; in einem Brief der spanischen Könige an de Puebla heißt es als Erklärung für das lange Ausbleiben von Nachrichten, daß zwei — namentlich genannte — segelfertig im Hafen (von Fuentarrabia wohl) liegende Kuriere lange Zeit auf eine Möglichkeit des Auslaufens gewartet hätten, der eine zwei, der andere gar drei Monate: Bergenroth n. 132, — eine Stelle, die allerdings mit großer Vorsicht zu werten ist; man vgl. dazu Mattingly Renaissance Diplomacy 147; tatsächlich ließ Ferdinand von Aragon seine Gesandten mitunter sehr lange ohne Information, wobei dies aber fallweise auch diplomatisch wichtige Verzögerungstaktik sein konnte. Auch vom Ärmelkanal heißt es immer wieder, er sei für zwei, ja drei Wochen unüberquerbar gewesen: Bergenroth n. 277. - Bei nicht ständig zur See befahrenen Kurierstrecken mit eigenen Schiffen kam natürlich hinzu, daß der Kurier verschiedentlich auch eine Weile auf eine Fahrtgelegenheit warten mußte. Zu diesen Problemen insgesamt vgl. auch Anm. 41.