Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 32. (1979)
HÖFLECHNER, Walter: Anmerkungen zu Diplomatie und Gesandtschaftswesen am Ende des 15. Jahrhunderts
Diplomatie und Gesandtschaftswesen am Ende des 15. Jahrhunderts 11 Entfernungen wurde aber dadurch nicht besonders wirksam, da die kürzere Distanz zwischen Maximilian I. und Heinrich VII. durch das eher kühle Verhältnis zwischen diesen beiden Partnern und die engere Bindung Englands an Spanien nicht zum Tragen kam, ja alles relativ langsam ablief. — Als es unter dem Einfluß des Italienzuges Karls VIII. von Frankreich 1495 zur Neubelebung dieses Systems und zur Ausweitung auf die Kurie und die italienischen Mächte kam und das Zentrum der Koordination sich in Venedig herausbildete, während nach wie vor die spanischen Könige eine dominierende Rolle einnahmen, als sich das Zentrum bald an den Hof Maximilians I. ins Reich verlagerte, da wurde das Problem der Nachrichtenübermittlung ernster25). Man muß dabei im Auge behalten, daß die Entfernung von z. B. 2S) Die Masse der Depeschen wurde von Kurieren befördert, von denen je nach Bedeutung des Gesandten und seiner Mission bereits eine gewisse Anzahl den Gesandten bei der Abreise vom Konstituenten begleitete; nach und nach wurden sie mit Nachrichten zurückgesandt und durch die neue Nachrichten vom Konstituenten bringenden Kuriere ergänzt. Bei Kurieren über größere Distanzen war es - schon aus finanziellen Gründen - selbstverständlich, daß sie, soferne es die Route und die Dringlichkeit ermöglichten, von anderen Informationsstellen ihres Herrn weitere Depeschen übernahmen. Hin und wieder beförderten sie nicht nur Schriftgut, sondern auch kleinere Geschenke - wenn diese selbst laufen konnten wie etwa ein Pferd, dann auch größere; sie überbrachten den Gesandten auch mündliche Informationen. Es konnte Vorkommen, daß der Kurier als Überbringer eines Briefes eines Souveräns an den anderen - wenn kein Gesandter vorhanden war - vom Empfänger empfangen und in ein informatives Gespräch verwickelt wurde — Heinrich VII. hat einen solchen Kontakt für seine Beziehungen zu Mailand für ausreichend gehalten: Calendar of State Papers and Manuscripts relating to English Affairs, existing in the Archives and Collections of Venice and in other Libraries of Northern Italy 1 :1202-1509, ed. by Rawdon Brown (London 1864) nn. 603 und 793. Kuriere reisten allein und dies oftmals auf derselben Route; sie abzufangen und sich des Inhalts ihrer Felleisen zu bemächtigen, war — wenn es sich aus Gründen des Staatsinteresses empfahl — unter Hinwegsetzung über die etwas geschützte Rechtsstellung des Kuriers eine Selbstverständlichkeit. Es geschah dies so häufig, daß der Hinweis darauf eine der gängigsten Entschuldigungen und Ausreden für das Nichtreagieren auf Nachrichten war; besonders ausgesetzt waren natürlich Routen, die an Feindesland vorbei, wenn nicht manchmal durch dieses hindurch führten, so die Strecke von Spanien nach England, die die Kuriere entweder auf einer gemischten (Land-See-Land-See-Land-)Strecke über das Reich oder aber zur See im Atlantik zurücklegten; auf beiden Routen wurden sie immer wieder abgefangen, mancher Kurier landete in französischen Kerkern — während man dem Adressaten unter Umständen höflich davon Mitteüung machte und ihm erklärte, daß die Depesche etwas später ankommen würde: Bergenroth n. 136 -, mancher verschwand wohl für immer. Diese Unsicherheit führte zum Usus, nach der Entsendung des Originals solange Kopien desselben den nachfolgenden neuen Originaldepeschen beizulegen, bis der Empfang eines Exemplares — unter knapper Resümierung des Inhalts — bestätigt wurde — Originale wie Kopien wurden in ihren chiffrierten Fassungen eigens als solche gekennzeichnet; besonders wichtige Stücke wurden auch auf verschiedenen Routen gleichzeitig abgesandt. Generell galt den spanischen Königen die Seeroute als sicherer, weshalb im Dezember 1495 der Gesandte de Puebla in London angewiesen wurde, wichtige Stücke nur zur See laufen zu lassen, da die Straßen zu unsicher seien: Bergenroth n. 113; als besonders sicher galt die Route nach Bristol, auf der sogar nicht- chiffrierte Depeschen befördert wurden, die vom Kurier im Falle der Kaperung in das Wasser zu werfen waren: ebenda n. 143. Die Kuriere wurden in der Regel vom Absen