Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 32. (1979)

HÖFLECHNER, Walter: Anmerkungen zu Diplomatie und Gesandtschaftswesen am Ende des 15. Jahrhunderts

10 Walter Höflechner Kurie gab es stets Gesandte oder wenigstens Prokuratoren des Habsburgers, häufig auch mehrere gleichzeitig; hier mußte der Römische König den stän­digen Konkurrenzkampf bestreiten. Wie schon angedeutet wurde, herrscht Übereinstimmung darüber, daß zu Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts die europäische Diplomatie in prinzipieller Hinsicht eine Ausprägung erfahren hat, die im Grunde nur mehr durch die Erhöhung der Informationsgeschwindigkeit gesteigert wer­den konnte22). Dem ist sicherlich zuzustimmen, wenn es auch kaum exakte Beispiele für die Schwierigkeiten auf diesem Gebiet um 1500 gibt23). Das Problem liegt weniger in der Geschwindigkeit der Nachrichtenübermitt­lung, als vielmehr in der Unterschiedlichkeit der zu bewältigenden Distanzen im Informationsfluß etwa innerhalb eines Bündnissystems bzw. zwischen den Bündnispartnern und dem von ihnen eingekreisten gemeinsamen Gegner24) - ein Problem, das erst im 19. Jahrhundert durch die Einführung der elektri­schen Telegraphie, also die Egalisierung aller irdischen Entfernungsunter­schiede, tatsächlich gelöst worden ist. Dies zeigt sich an den großen Bündnis­sen, die im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts in der europäischen Poli­tik eine große Rolle gespielt haben: so etwa das von den spanischen Königen initiierte Bündnis zwischen Spanien, dem Reich und England, das aus einer Kombination der beiden Bündnisse Spanien - England und Spanien - Reich hervorgegangen war, nachdem es den spanischen Königen gelungen war, einen Ausgleich zwischen Maximilian I. und Heinrich VII. herbeizuführen. Dieses System reicht in seinen Anfängen in die späten 80er Jahre zurück und war in seiner idealen Ausformung nur für einen sehr kurzen Zeitraum stabil, da die relativ geringen Kontakte mit der langen Laufzeit der Depeschen keine echte Koordinierung zuließen, sodaß die individuelle Politik der ein­zelnen Bündnispartner dem gemeinsamen Gegner Frankreich gegenüber wei­terhin bestimmend blieb. Der Informationsfluß lief dabei so, daß jeder der drei Partner mit den beiden anderen Partnern verhandelte. Die Differenz der 22) Queller 148: „what was lacking was only an instrument for increasing the speed of communication“, ähnlich ebenda X (Vorwort), wo die plena potestas als eine der “new opportunities to overcome conditions that hampered diplomatic activity, such as the slowness of transportation and communication” gesehen wird. 23) Auch die Periode der Ausweitung des in Italien entwickelten diplomatischen Usus auf die europäischen Länder schon im 14. und 15. Jahrhundert, ein Prozeß, der nicht vergessen werden darf und der die Vorbedingung für die wichtige Entwicklung in den 90er Jahren des 15. Jahrhunderts war, ist trotz Mattingly Renaissance Di­plomacy 153-161 zu wenig erforscht; Queller 88 verwendet zwar - wie andere Auto­ren auch - Feststellungen wie “As diplomatic contacts became more frequent...”, “As the frequency of diplomatic relations increased...” und ähnlich, legt sich dabei aber niemals zeitlich fest. Eine quantitative Untersuchung hiefür fehlt völlig, auch die Grundlage dafür. 24) Der natürlich relativ gleichmäßig kurze Distanzen für seine Separatverhand­lungen mit den einzelnen Bündnispartnern zur Zerschlagung des Systems und damit die besten Voraussetzungen für den Erfolg hat, wie das Frankreich allein in den 90er Jahren zweimal bewiesen hat.

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