Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 32. (1979)

HÖFLECHNER, Walter: Anmerkungen zu Diplomatie und Gesandtschaftswesen am Ende des 15. Jahrhunderts

Diplomatie und Gesandtschafts wesen am Ende des 15. Jahrhunderts 5 trum mehrerer Systeme, von denen jedes einzelne einen ganzen Mann erfor­derte. Man muß weiters beachten, daß das Haus Habsburg zur damaligen Zeit mit seinen Besitzungen einen Großteil der Grenzgebiete des Reiches im Süden und Westen, wie auch einen Teil der Ostgrenze innehatte und daher mit seinen regen außenpolitischen Kontakten einen nicht unerheblichen Teil der Grenzfunktionen des Reiches auf sich zog. Das Reich seinerseits nahm eine Zentral- und Mittlerstellung zwischen den westeuropäischen und osteu­ropäischen Mächten wie eine von alten Traditionen geprägte Position den italienischen Mächten gegenüber ein, die ihrerseits mit dem Westen und in besonderer Weise auch mit dem Osten in Verbindung standen; welche Viel­falt der Einflüsse, der Informationen, die in dieser Zeit auf den Herrscher einstürmten, in der nun erstmals ein Ausmaß an Integration erreicht wurde, das bedeutendere Handlungen einer einzelnen Macht ohne Folgen auf das Gesamtgefüge kaum mehr zuließ! Rasch hat die Diplomatie zu Ende des 15. Jahrhunderts europäische Dimensionen angenommen, jäh wurden an den Apparat die größten Anforderungen gestellt7). Welch großes Feld der politi­schen, der diplomatischen Kombinatorik eröffnete sich nun, und der kühne und wohl auch phantastische Planer, der der von unstillbarem Ehrgeiz ge­triebene Römische König Maximilian war, war bereit, es in seiner Gänze zu bearbeiten, hatte er doch an diesem Ausweitungsprozeß selbst Anteil ge­nommen: der Eintritt der spanischen Könige in die europäische Politik in der Endphase ihres Krieges gegen Granada, die in ihrer Phantastik Maximilian um nichts nachstehenden Pläne Karls VIII. von Frankreich8), die Einbezie­hung des Großfürstentums Moskau in die politische Welt Europas9) und das Wiederaufleben der Türkenzugsidee10), all das bedeutet eine wesentliche Er­weiterung des politischen, des diplomatischen Horizontes und eine Vervielfa­chung der Möglichkeiten politischer und militärischer Entscheidungen11). 7) Die Jahre ab 1494 brachten eine wesentliche Steigerung der Zahl der Missionen und der an einer politischen Aktion beteiligten Mächte; vgl. Anhang. 8) Zu den Vorbildern dieses Unternehmens aus den Ritterromanen der Zeit vgl. Yvonne Labande-Mailfert Charles VIII et son milieu (1470-1498). La jeunesse au pouvoir (Paris 1975) 187 ff. *) 1488 wurden die ersten Gesandtschaften zwischen den Habsburgern und dem Großfürsten Ivan III. von Moskau gewechselt, die sofort zu konkreten Bündnis- und Heiratsverhandlungen führten, wegen der starren Haltung Ivans in diplomatisch-tech­nischen Fragen und wegen der großen und nur schwierig zu überwindenden Entfer­nung aber nur sehr langsam vor sich gingen; vgl. Anm. 28, dazu die Darstellung bei Wiesflecker Maximilian 1 278f, 308ff; Hans Übersberger Österreich und Ruß­land seit dem Ende des 15. Jahrhunderts 1: 1488-1605 (Wien - Leipzig 1906) 5 ff; die russischen Gesandten sind zusammengestellt bei Walter Rödig Der auswärtige Dienst unter Ivan III. (1462—1505) (Die Anfänge der russischen Diplomatie) (ungedr. phil. Diss. Göttingen 1949); das hier gebotene Repertorium teüweise übernommen bei Höflechner Die Gesandten nn. 17.1.—17. 29. 10) Die Türkenzugsidee, von der Maximilian I. Zeit seines Lebens nicht abließ, wurde um 1490 intensiv von den päpstlichen Legaten Lionello Chieregati und Rai- mondo Peraudi betrieben, die sich aus diesem Grunde um einen allgemeinen europä­ischen Frieden als Basis bemühten; Höflechner Die Gesandten nn. 10.14, 10.24. “) Dazu ist zu bemerken, daß die 90er Jahre zwar wohl eine Politik Maximilians

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