Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 32. (1979)

HÖFLECHNER, Walter: Anmerkungen zu Diplomatie und Gesandtschaftswesen am Ende des 15. Jahrhunderts

4 Walter Höflechner Wohl ebenso wichtig wie diese Fragen erscheint die Feststellung, daß um 1500 bei den in der Entwicklung am weitesten fortgeschrittenen Staatswesen — insbesondere Venedig, aber auch bei anderen - jenes Stadium an Perfek­tion, oder sagen wir besser, jene Vielfalt an Möglichkeiten des diplomati­schen Apparats erreicht war, daß es im Grunde genommen nur noch eines Anstoßes bedurfte, um ihn leistungsfähiger, ja in mancher Hinsicht zu dem der modernen Zeit zu machen, nämlich der Steigerung der Informationsge­schwindigkeit — „what was lacking was only an instrument for increasing the speed of communication“5). Damit ist ein Problem berührt, dessen Existenz sich in der Diplomatie Ma­ximilians I. oder zumindest zu seiner Zeit offenbar zum ersten Mal in aller Deutlichkeit erweist. Maximilian I. gehörte zweifellos zu jenen Herrschern, die die Diskrepanz zwischen ihrer politischen, diplomatischen, aber auch der militärischen Planung und der Verwirklichungsmöglichkeit am stärksten empfunden haben. Als Römischer König war er Haupt und Zentrum des hl. Römischen Reiches und erhob als potentieller Kaiser nach dem Tode seines Vaters den Anspruch, in temporalibus das Oberhaupt der Christenheit zu sein6). Zudem war er Herr einer beachtlichen Hausmacht — hier schon Zen­5) Queller 148 legt — ohne sie jedoch auszuführen oder Materialien dafür anzuge­ben — als einziger mir bekannter moderner Autor Wert auf diese Feststellung, die al­lerdings — wie weiter unten zu zeigen sein wird — den Kern der Sache noch nicht prä­zis erfaßt. — Er tut dies im Kapitel „Letters and Reports“, in dem er allerdings den Spaniern, die er wie das Reich praktisch unbeachtet läßt, Unrecht tut, wenn er meint, „the true relazione was unique in Venice. Other ambassadors gave reports, of course, but nowhere else is found the synthetic description of the land... with all sorts of background information..Bergenroth, den Queller als sehr spät einsetzende Quel­lenedition nicht mehr benützt hat, bringt den großen Bericht Don Pedro de Ayalas über Schottland aus dem Jahre 1498 und wäre wohl eine Fußnote wert gewesen: Ca­lendar of Letters, Despatches, and State Papers, relating to the Negotiations between England and Spain, preserved in the Archives at Simancas and elsewhere, 1: Hen­ry VII. 1485-1509, ed. by G. A. Bergenroth (London 1862) n. 120 (weiterhin zitiert als Bergenroth). 6) Er war darüber auf Gesandtenebene auch sofort in Streitigkeiten mit Frankreich verwickelt, da die französischen Gesandten in Rom dem seinem — Marquard Breisa­cher - als Vertreter des Römischen Königs den ersten Rang abzusprechen versuchten, da er noch nicht zum Kaiser gekrönt sei; ein Argument, dem der päpstliche Zeremo­nienmeister Burckard entgegenhielt, daß man auch den Gesandten Karls VIII. von Frankreich vor dessen Krönung ihren derzeitigen Rang eingeräumt habe. Endgültig abgewehrt wurde der französische Angriff - die Kardinäle enthielten sich vorsichtig einer Entscheidung - erst durch einen sorgfältig ausgearbeiteten Traktat, den Maximi­lians I. Jurist und Gesandter Ludovico Bruno dem Papst im Mai 1494 vorlegte; Bruno bewies aus den Fürbitten in den Gebeten bei verschiedenen Zeremonien und schließ­lich aus der Funktion des Römischen Königs als advocatus ecclesie den Anspruch auf den ersten Rang, der Papst selbst hatte schon in den kirchlichen Ämtern zum Karfrei­tag und in der Osternacht dieses Jahres (Ende März) Maximilian als „electus impera­tor“ titulieren lassen, was natürlich ebenfalls Rückfragen der Franzosen zur Folge ge­habt hatte; dazu Joannis Burchardi Liber notarum ed. Enrico Celani in Rerum Itali­carum Scriptores n. s. 32, 1 nn. 456, 457, 459, 468; vgl. auch Höflechner Die Ge­sandten nn. 1.18 und 1.19, sowie dsbe Diss. 2 246—249.

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