Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 31. (1978) - Festschrift für Richard Blaas

Lorenz MIKOLETZKY: Österreich, Italien und der abessinische Krieg 1935/36. Politik, Meldungen und Streiflichter

Österreich, Italien und der abessinische Krieg 489 wurde Wien mit Abessinien in nähere Verbindung gebracht, fühlte man doch auf diplomatischem Wege wegen der Überlassung eines Krönungswagens vor. Das Bundesministerium für Unterricht überließ einen Staatsgalawagen aus dem 19. Jahrhundert für 500 Pfund mit dem Bemerken: „Die Abgabe eines historisch oder kunstgewerblich interessanten Wagens, woran der äthiopi­sche Gesandte in London vielleicht denken möchte, kommt selbstverständ­lich nicht in Frage“8). Anläßlich der Krönungsfeierlichkeiten hatte Italien keinen Aufwand ge­scheut, um mit einer glänzenden Delegation und sehr kostbaren Krönungsge­schenken die Gunst des Negus zu erwerben. Dieser zeichnete seine italieni­schen Gäste auch in jeder Weise aus, erfüllte aber nicht die Erwartungen Roms, für die Unkosten mit abessinischen Industrieaufträgen und der Ge­winnung politischen Einflusses am Kaiserhof entschädigt zu werden. Den „Hochzeitsbraten“, so klagte der Popolo d’Italia, holten sich die USA, denn ein Amerikaner wurde als Unterrichtskommissar engagiert, ein weiterer zum Finanzberater des Kaisers bestellt. Italien erhielt nichts und war fortan auf den neuen Kaiser schlecht zu sprechen. Von 1932 an inszenierte Mussolini eine immer schärfer werdende Hetzpropaganda gegen Abessinien, die dem Negus den ständigen Bruch des Freundschaftsvertrages von 1928 vorwarf. Außerdem wurde Abessinien beschuldigt, durch politische Machenschaften Unruhen in Eritrea zu stiften und die Italiener schlechter als alle anderen Europäer zu behandeln. Im Jahre 1934 trat die zunächst verdeckte Aggres­sionsabsicht des Duce immer deutlicher zutage. Eritrea und Somalia wurden nach zwei Inspektionsreisen des Kolonialministers De Bono und des Königs als Aufmarschgebiet vorbereitet, die heimischen Rüstungskapazitäten erwei­tert und Italiens Wirtschaft auf den Kriegsfall eingestellt. Spätestens im Sep­tember stand Mussolinis Entschluß fest, „di affrontare risolutamente la que­stione etiopica“9). In seinen Erinnerungen berichtet der österreichische Vize­kanzler Emst Rüdiger von Starhemberg, daß ihm Benito Mussolini bei Gele­genheit einmal gesagt hätte: “I had to wage the Abyssinian campaign. Italy needs new colonies, the Italian people require more land, Italy has become too small for us. The African colonies we already possessed were to a great extent unproductive. They cannot solve our problem of over-population. Forty-four Italians have not to live on a third of the space occupied by the same number of Frenchmen. And our population is growing rapidly. . .”10). Die breite Bevölkerung Italiens zeigte sich jedoch an den auswärtigen Plänen des Duce wenig interessiert. Also mußte ein Anlaß gefunden werden, um die nötige Kriegsstimmung zu erzeugen. Am 5. Dezember 1934, als die Empfind­lichkeit der Italiener in bezug auf Zwischenfälle in Äthiopien bereits auffal­lend zugenommen hatte, wurde „wunschgemäß“ eine 600 Mann starke abes­8) Ebenda ZI. 28.460/1930. *) Funke Sanktionen und Kanonen 11. 10) Ernst Rüdiger Prince Starhemberg Between Hitler and Mussolini (Lon- don-New York 1942) 217. In der deutschen Ausgabe: Ernst Rüdiger Starhemberg Memoiren (Wien—München 1971) 243ff fehlen diese genauen Ausführungen.

Next

/
Thumbnails
Contents