Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 31. (1978) - Festschrift für Richard Blaas

Lorenz MIKOLETZKY: Österreich, Italien und der abessinische Krieg 1935/36. Politik, Meldungen und Streiflichter

ÖSTERREICH, ITALIEN UND DER ABESSINISCHE KRIEG 1935/36 POLITIK, MELDUNGEN UND STREIFLICHTER Von Lorenz Mikoletzky „Die italienische Unternehmung gegen Äthiopien gehört zu jenen Planungen und Unternehmungen in der Geschichte der Völker, welche, wenn sie gelin­gen, ihre Erfinder und Vollstrecker zu Nationalhelden und geschichtlichen Größen machen, wenn sie mißlingen, zu größenwahnsinnigen Gewalttätern, über welche der Gerichtshof der Historiker eilig den Stab bricht“1). Da die­ser Krisenherd auf dem afrikanischen Kontinent ein permanenter zu sein scheint, ist es nicht uninteressant zu beobachten, wie Österreich sich zu den seinerzeitigen Auseinandersetzungen gestellt hat und wie vielfach das stän­destaatliche System in die Politik der beiden Nachbarstaaten, des faschisti­schen Italien einerseits und des nationalsozialistischen Deutschland anderer­seits, durch diesen Krieg im fernen Ausland unmittelbar hineingezogen wur­de. „Die imperiale Politik der europäischen Großmächte legte im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts einen Ring von Kolonien um Abessinien, der sich mit der italienischen Besetzung des Hafens Zula im August 1888 schloß. Nun richteten sich Italiens Expansionswünsche direkt auf das letzte afrikanische Land, dessen Boden noch nicht unter den Kolonialmächten aufgeteilt worden war“2). In der Schlacht von Adua (1896) erlitt das italienische Expeditions­korps, das die Kolonien Eritrea und Somalia mit Abessinien vereinigen soll­te, eine vernichtende Niederlage. Italien gab zwar allgemein seine kolonialen Ambitionen nicht auf, doch waren nach Ende des Ersten Weltkriegs nur noch Tripolis und Bengasi in italienischer Hand. Mussolini setzte nun energische *) *) Hermann Neubacher Die Festung des Löwen. Äthiopien von Salomon bis zur Gegenwart (Olten und Freiburg im Breisgau 1959) 121. - Der Verfasser schließt sich der von Manfred Funke Sanktionen und Kanonen. Hitler, Mussolini und der interna­tionale Abessinienkonflikt 1934-36 (Düsseldorf 1970) 7 Anm. 1 geäußerten Meinung an: „In der vorliegenden Untersuchung werden die Bezeichnungen Äthiopien“ und .Abessinien“ unterschiedslos gebraucht. Dies erleichtert das Zitieren und trägt dem Sprachgebrauch Rechnung.“ - Zum gesamten Themenkomplex vgl. ferner The Ethio­pian Crisis. Touchstone of Appeasement. Ed. by Ludwig F. Schaefer (Problems in european civilization, Boston 1961); Ludwig Jedlicka Österreich und Italien 1922—1938 in Innsbruck—Venedig. Österreichisch-italienische Historikertreffen 1971 und 1972 (Veröffentlichungen der Kommission für Geschichte Österreichs 6, Wien 1975) 197ff und Ennio Di Nolfo Die österreichisch-italienischen Beziehungen von der faschistischen Machtergreifung bis zum Anschluß (1922-1938) ebenda 221 ff. 2) Funke Sanktionen und Kanonen 7.

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