Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 31. (1978) - Festschrift für Richard Blaas
Anna Hedwig BENNA: Die Republik Österreich und Sancta Maria de Anima in Rom (1918-1938)
Österreich und Sancta Maria de Anima 483 blieben bis Ende 1928 offen126). Der Nachfolger Pastors, Dr. Rudolf Kohl- russ, der am 22. Dezember 1928 sein Amt als österreichischer Gesandter beim Hl. Stuhl angetreten hatte127), fand in der Anima eine eher unerfreuliche Situation vor: Sein Vorgänger habe sich seit Jahren nicht mehr viel um die Anima gekümmert, das Verhältnis des Gesandten zum Rektor sei von Spannungen belastet gewesen. Pastor habe die Berechtigung zu seiner Passivität offenbar aus einem Erlaß aus Wien, in dem man sich antizipativ mit einem Erlöschen des österreichischen Protektorates abgefunden hatte128), geschöpft. Die österreichischen Protektoratsrechte seien schon durch die Ernennung des Rektors Hudal, die nicht im Sinne des Breves von 1859 durch das österreichische Staatsoberhaupt, sondern durch den Hl. Stuhl erfolgt sei, beeinträchtigt worden. Auch das äußere Zeichen des Protektorats, der Ehrensitz des österreichischen Gesandten, sei nach der Abmachung zwischen Pastor und der deutschen Botschaft hinfällig geworden129). Nach dem Wechsel in der Person des Kardinalprotektors — Kardinal Merry del Val war Anfang März 1930 gestorben130), der neue Kardinalstaatssekretär Pacelli hatte auf Bitten Rektor Hudals das Protektorat über die Anima trotz Arbeitsüberbürdung übernommen und war am 18. Mai 1930 feierlich in der Kirche der Anima installiert worden131) — befürchtete Kohlruss eine energischere Verfolgung des Zieles von deutscher Seite, nämlich eines neuen Statuts für die Anima zur Eliminierung der noch auf dem Papier stehenden Vorrechte des ehemaligen Kaisers von Österreich und seiner diplomatischen Organe. Dagegen wollte der österreichische Gesandte nicht untätig bleiben, sondern Kardinal Pacelli über den Stand der Animafrage aufklären und ihm ein Minimum an österreichischen Forderungen, die sich aus seinen Gesprächen mit Kardinal Piffl ergeben hatten, vortragen. Die österreichischen Bischöfe wünschten, daß auch in Zukunft ein Österreicher zum Rektor der Anima vom Hl. Stuhl bestellt werde. Kohlruss fügte dieser Minimalforderung noch hinzu, der österreichische Gesandte beim Hl. Stuhl oder ein von ihm delegierter Funktionär möge nach wie vor Mitglied des Verwaltungsrates der Anima bleiben. Er war aber bereit, wenn die deutsche Botschaft oder die 126) HHStA Ges. A. Rom V. 1918-1938 6: Hudal an Legationsrat Luwig von Blaas, 1928 Dezember 12 Rom (als Beilage zu Bericht Rom V. ZI. 185, 1928 Dezember 12). 127) Ebenda 8: Bericht Rom V. ZI. 166, 1928 Dezember 22 (zu Erlaß des BKA AA ZI. 172.817-13 Pers., 1928 November 10). Zu Dr. Rudolf Kohlruss (1884—1959), Absolvent der Orientalischen Abteilung der Konsularakademie, zwischen 1908—1918 verschiedenen Balkankonsulaten Österreich-Ungams zugeteilt, 1918 in Disponibilität gestellt, 1919 vom Deutschösterreichischen Staatsamt des Äußern übernommen, vgl. HHStA Admin. Reg. 4/55 Personalakt Kohlruss; Engel-Janosi Vom Chaos 23, 25f; dsbe Die erste österreichische Austauschprofessur in Rom 1937/38 in Beiträge zur neueren Geschichte Österreichs (Wien 1974) 528. 128) HHStA NP A 319: BKA AA ZI. 4028/17, Erlaß an Pastor 1924 Jänner 10. “*) Vgl. oben Anm. 119. 130) HHStA NP A 319: BKA AA ZI. 26.046-13/30, Bericht Rom V. ZI. 17, 1930 März 7. 131) Ebenda: BKA AA ZI. 23.375-13/30, Bericht Rom V. ZI. 34, 1930 Mai 19; Engel-Janosi Vom Chaos 142. 31*