Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 31. (1978) - Festschrift für Richard Blaas

Anna Hedwig BENNA: Die Republik Österreich und Sancta Maria de Anima in Rom (1918-1938)

482 Anna Hedwig Benna gung des Konflikts mit den Deutschen wünschten. Ihrer Ansicht nach hatte sich Österreichs Stellung in der Anima gegenüber der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg verschlechtert. Dazu kam noch, daß die Deutschen in Kardinal Ehrle einen einflußreichen Fürsprecher in der nächsten Umgebung des Pap­stes besaßen120). Die nachgiebige Haltung Österreichs im Placierungskonflikt leitete eine Zeit des schrittweisen Zurückweichens vor den Bestrebungen der Deutschen in der Anima ein. Das Streben deutscher Bischöfe und Prälaten, das österrei­chische Protektorat durch ein deutsches zu ersetzen, stieß auf den Wider­stand des Kardinalprotektors121). Mehr Aussicht auf Durchsetzung hatte der Standpunkt des deutschen Botschafters Diego von Bergen, der die Anima ganz unter kirchliche Verwaltung stellen wollte, da das neue Deutschland gegen jede Einmischung des Staates in kirchliche Angelegenheiten sei122). Das Hinarbeiten der Deutschen auf eine kanonische Visitation und auf ein neues Breve, das die Anima in ein dem Hl. Stuhl unterstehendes Institut umwandeln sollte, besaß Chancen auf Verwirklichung, da das Kirchenrecht und vor allem der neue Codex iuris canonici den weltlichen Protektoraten abhold war123). Auch Rektor Hudal zeigte sich einer Umwandlung der Anima in ein päpstliches Institut nicht abgeneigt, wollte aber ein Eingehen in Ver­handlungen darüber davon abhängig machen, daß die Rektorsfrage ausge­klammert blieb124). Auch in Wien war man zur Einsicht gelangt, daß das Protektorat in seiner bisherigen Form von Österreich auf die Dauer nicht mehr behauptet werden könne, legte aber Wert darauf, die Rechte Öster­reichs insofern zu sichern, als es bei einer Neuregelung nicht übergangen und in Zukunft von der Besetzung des Rektorspostens nicht ganz ausgeschlossen bleiben sollte12S). Die Hoffnung Rektor Hudals, die langjährigen Verhandlungen über ein neues Breve zur Reorganisation der Anima könnten bis zur 70-Jahrfeier des Prie­sterkollegs abgeschlossen werden, erfüllten sich nicht. Es kam nur zu einer Regelung über die Ansprüche der Belgier und Holländer, alle übrigen Fragen 12°) HHStA NPA 319 (Liasse Österreich 3/III): BKA AA ZI. 1748/1 1923, Erlaß an Pastor 1923 Juni 22 (Konz.). Eigenhändiger Vermerk Seipels: „Bin mit Zustimmungs­telegramm ganz einverstanden. Konflikt soll möglichst bald und ohne Aufregung bei­gelegt werden 22. 6. 23 Seipel“; BKA AA ZI. 1766/1924, Erlaß an Pastor 1923 Juni 27 (Konz.). Zu Dr. Alfred Grünberger (1875—1935), Oktober 1922—1924 Bundesminister für Äußeres, vgl. ÖBL 2 (1959) 88f. m) HHStA NPA 319: BKA AA ZI. 3495/1923, Bericht Rom V. ZI. 155, 1923 No­vember 16. 122) Ebenda: BKA AA ZI. 1766/1 1923, Bericht 1923 Jänner 19. Zu Diego von Ber­gen (1872-1944), seit 1919 preußischer Gesandter, 1920-1943 deutscher Botschafter beim Hl. Stuhl, vgl. Franciscus Hanus Die Preußische Vatikangesandtschaft 1747-1920 (München 1953) 405f, 408; Engel-Janosi Österreich und der Vatikan 2 315 Anm. 87; dsbe Vom Chaos 31 f, 39. 123) HHStA NPA 319: BKA AA ZI. 3495/1923, Bericht Rom V. ZI. 155, 1923 No­vember 16. 124) Ebenda: BKA AA ZI. 4028/17 1923, Erlaß an Pastor 1924 Jänner 8 (Konz.). 125) Ebenda: Bericht Rom V. ZI. 35, 1924 März 1.

Next

/
Thumbnails
Contents