Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 31. (1978) - Festschrift für Richard Blaas

Anna Hedwig BENNA: Die Republik Österreich und Sancta Maria de Anima in Rom (1918-1938)

480 Anna Hedwig Benna Dieser hatte kurz vorher dem Papst ein Exemplar des Werkes Hudals über die serbische orthodoxe Kirche überreicht112). Dank der Vorarbeit Merry del Vals gelang es Pastor, von dem eher als bedächtigen denn als Mann rascher Entschlüsse bekannten Papst die Ernennung Hudals zum coadiutor cum iure successionis Rektor Brenners zu erreichen: Ein Gespräch über die Biblioteca Chigi erleichterte, wie Pastor berichtete, die Besprechung der Animaangele­genheit so weit, daß sich Pius XI. sogar dazu bewegen ließ, den Befehl zur Ausstellung des Dekretes für Hudal zu erteilen113). Die Ernennung eines Österreichers zum Koadjutor mit Nachfolgerecht für den dauernd funktionsunfähig gewordenen Rektor Brenner, die dem Wohl­wollen Pius’ XI. für Österreich entsprungen war114), stellte einen Erfolg und eine Bekräftigung des österreichischen Standpunktes die Anima betreffend dar. Wenige Monate später sollte allerdings ein Konflikt mit der deutschen Botschaft um den Ehrenplatz des diplomatischen Vertreters der Protekto­ratsmacht die deutschen Aspirationen verdeutlichen, die sich schon zur Zeit des k. u. k. Botschafters Schönburg-Hartenstein in den letzten Jahren vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges abgezeichnet hatten. Ihnen trat da­mals Schönburg-Hartenstein mit ausgesprochener Betonung der äußeren Zei­chen des Protektorates, der Ehrenrechte und vor allem des Ehrenplatzes in der Kirche für den k. u. k. Missionschef beim Hl. Stuhl, entgegen115). Das Schema der Placierung der diplomatischen Vertreter Österreichs, Deutsch­lands und Bayerns am Vortag einer kirchlichen Feier Anfang Juni 1923 gab Anlaß zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Hudal und einem Vertre­ter der deutschen Botschaft in der Kirche der Anima, wo der erste Sitz auf der Evangelienseite für den österreichischen Gesandten als Vertreter der Protektoratsmacht und auf der Epistelseite die Sitze für die diplomatischen Vertreter Deutschlands und Bayerns nach alter Gepflogenheit bereitet wur­den. Der Deutsche Botschafter Diego von Bergen nahm dieses Schema zum Mgr. Dr. Eberhard Graf von Ortenburg, Propsteipfarrer von Wiener Neustadt, der ehemalige Animakaplan Dr. Karl Kautsky und Univ.-Professor Dr. Alois Hudal (Graz) im Gespräch. Die beiden ersteren wurden allerdings von Kardinal Piffl abgelehnt. Vgl. HHStA NPA 87: Bericht Rom V. ZI. 23, 1923 Februar 2. Dr. Alois Hudal (1885-1963), Subregens des Priesterseminars in Graz und Privatdozent für alttestamentarische Bi­belwissenschaft an der Universität Graz, wurde 1917 im Zusammenhang mit der Be­setzung des Postens des Rektors des Campo santo nach dem Tode Mgr. de Waals ge­nannt. Vgl. HHStA PA I 742 (Generalia X/10 R Campo santo dei Tedeschi 1916-1918) Aktennotiz: „von Mgr. Brenner am 6. 2. 1918. Fürsterzbischof von Salzburg schreibt 2. 9. 1917“. 112) HHStA NPA 87: Bericht Rom V. ZI. 93, 1922 April 8; Pastor Tagebücher 744; Alois Hudal Geschichte und Verfassung der Orientalischen Kirche (Graz 1921). 113) HHStA NPA 319 (Liasse Österreich 3/III): Bericht Rom V. ZI. 38, 1923 Februar 25; Pastor Tagebücher 766f; Engel-Janosi Vom Chaos 75; Hudal Römische Ta­gebücher 30. Zu den wissenschaftlichen Beziehungen Pastors zu Pius XI. vgl. Engel- Janosi Diplomatische Mission 8; dsbe Vom Chaos 52. 114) HHStA NPA 319: BKA AA ZI. 4028/17 1923; Erlaß an Pastor, 1924 Jänner 10. 115) HHStA PA I 741 (Generalia X/10 R): Privatschreiben Schönburg-Hartensteins an Berchtold, 1913 Jänner 25, und an Sekt. Chef Macchio, 1913 Juni 18.

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