Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 31. (1978) - Festschrift für Richard Blaas

Anna Hedwig BENNA: Die Republik Österreich und Sancta Maria de Anima in Rom (1918-1938)

Österreich und Sancta Maria de Anima 477 tragen habe, sei es ein Gebot der Billigkeit, daß sie die wenigen Activa aus dieser Erbschaft für sich beanspruche. Zu diesen gehöre das Protektorat über die Anima, das den österreichischen Staatshaushalt nur wenig belaste, aber für das Ansehen des katholischen Österreich von größtem Wert sei93). Das Kultusamt war wohl der Ansicht, das Protektoratsrecht über die Anima sei mit dem Hause Habsburg verknüpft gewesen. Es sei aber - und so argumen­tierte Unterstaatssekretär Wilhelm Miklas, dessen Meinung sich auch das Staatsamt für Äußeres anschloß - in einer Zeit entstanden, in der zwischen der Persönlichkeit des Herrschers und der Persönlichkeit des Staates noch nicht unterschieden wurde, da die Verkörperung des Staates der Herrscher war. So sei dieses Recht, das gewissermaßen an den Staat und an das Staats­volk gebunden war, auf den Staat übergegangen. Es sei daher als ein den al­ten österreichischen Erbländem zustehendes Recht aufzufassen, das auf die Republik Österreich als die durch den Friedensvertrag von St. Germain vor­gesehene Nachfolgerin des alten Österreich gerade auf dem Gebiet dieser Erb­länder übergegangen sei. Als Parallelfall zur Rechtsnachfolge der Republik Österreich auf das Protektoratsrecht des Kaisers von Österreich könne der Übergang des Protektoratsrechtes der französischen Könige über die Chri­sten im Orient auf die französische Regierung angeführt werden94). Das Kul­tusamt war wohl der Ansicht, daß viele der dem Herrscher verliehenen Son­derrechte höchst persönlicher Natur gewesen und mit dem Wegfall der Herr­scherpersönlichkeit erloschen seien. Diese Auffassung habe die österreichi­sche Regierung dem Episkopat gegenüber bei Bestellung von Kanonikern eingenommen, die nun auf rein kanonische Weise erfolgte; sie hielt aber am Übergang des Protektoratsrechtes über die Anima auf die Republik Öster­reich fest95). Diesen Standpunkt vertrat auch Staatskanzler Dr. Karl Renner anläßlich seines Besuches im Vatikan zu Ostern 1920 im Gespräch mit maß­geblichen Persönlichkeiten96). Pastor erhielt die Weisung, in Gesprächen an ”) HHStA NP A 319 (Liasse Österreich 3/111): ÖStaA ZI. 1593/2, 1920. Unterstaats­sekretär Miklas erwartete 1919, daß die Frage einer Interessenvertretung Deutsch­österreichs an den Instituten Anima und Campo santo auf der Friedenskonferenz zur Diskussion gestellt würden. Vgl. ebenda Unterstaatssekretär Miklas an DÖStaA ZI. 1234/k 1919, 1919 Mai 10, ZI. 1359/K 1919, 1919 Juni 25 zu DÖStaA ZI. 1-3705/2 1919, 1919 Mai 17. 94) HHStA NPA 319 (Liasse Österreich 3/11): DÖStaA ZI. 1593/2 1920, Staatsamt für Inneres und Unterricht, Kultusamt ZI. 3117/K 1920, 1920 April 7; Beilage zu Be­richt RomV. ZI. 7, 1920 März 31, pro domo-Vermerk. Zum französischen Protektorat über die Christen im Orient vgl. J. Lameyer Das französische Protektorat über die Christen im Orient (Diss. Erlangen 1916); Feine Kirchliche Rechtsgeschichte 743; Al­fred Verdross Völkerrecht (Wien 41959) 234. 95) Vgl. oben Anm. 94; Johann Haring Kommentar zum neuen österreichischen Konkordat (Innsbruck 1934) 9; Weinzierl österreichische Konkordate 146; Alfred Kostelecky Kirche und Staat in Kirche in Österreich 1918-1965 1 (Wien 1966) 207. 96) HHStA Ges. A. Rom V. 1918-1938 2: Erlaß ZI. 1588/2, 1920 April 23, an Pastor; Pastor Tagebücher 683; Luwig Jedlicka Die Außenpolitik der Ersten Republik in Diplomatie und Außenpolitik Österreichs. Elf Beiträge zu ihrer Geschichte (Wien 1977) 183.

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