Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 31. (1978) - Festschrift für Richard Blaas

Anna Hedwig BENNA: Die Republik Österreich und Sancta Maria de Anima in Rom (1918-1938)

478 Anna Hedwig Benna der Kurie den Eindruck zu erwecken, daß sowohl er selbst als auch die ka­tholische Öffentlichkeit in Österreich die Protektoratsfrage nicht als zweifel­haft ansähen97). Pastor gewann im Herbst 1920 den Eindruck, die Kurie er­hebe keinen Einspruch gegen eine Weiterführung des Protektorates über die Anima von seiten der Republik Österreich, man sähe dies sogar gerne98). Rektor Brenner, der an der faktischen Weiterführung des Animaprotektora­tes seit seiner Wiederkehr nach Rom im Oktober 1919 arbeitete, hatte als Kanonist eine andere Auffassung vom Übergang dieses Rechtes an den neuen österreichischen Staat. Im Gegensatz zu den österreichischen Staatsmännern in Wien vertrat er die Ansicht, ein Erbrecht der Republik Österreich an die­sem Recht ließe sich aus den Statuten von 1859 nicht ableiten99). Ende 1920 tauchte für Österreich von deutscher Seite eine Gefahr für seine bisherige Stellung an der Anima auf. Im Zusammenhang mit der Prüfung der Ansprüche der Belgier, Holländer und Luxemburger durch die dafür einge­setzte Kommission warf P. Francesco Ehrle SJ die Frage nach den Anteilen Böhmens und Ungarns an der Anima auf, ferner die, ob Österreich ein pri­vatives Recht zukomme, den Rektor zu ernennen, und ob der Rektor berech­tigterweise immer ein Österreicher sein sollte. Hinter dieser Fragestellung Ehrles vermutete Pastor die deutsche Botschaft, die bald eine sehr starke Aktivität entwickeln sollte 10°). Für Österreich stellte sich die Rektorfrage sehr bald. Ende 1922 zeichneten sich für Rektor Brenner Aussichten auf den nächsten frei werdenden öster­reichischen Bischofsstuhl und für Österreich die Frage einer Neubesetzung des Rektorpostens der Anima ab101). Brenner erlitt in den letzten Jännerta­gen des Jahres 1923 einen Schlaganfall, der ihm die Weiterführung seiner Amtsgeschäfte in Rom unmöglich machte und ihn nötigte, im Juni Rom für immer zu verlassen102). Damit schien das geheime Streben der Deutschen nach dem Rektorposten der Anima, von dessen Existenz Pastor in Gesprä­chen mit Kardinalprotektor Merry del Val erfuhr103), einer Verwirklichung näher gerückt als zu dem Zeitpunkt, da der Posten noch mit einem Österrei­cher besetzt war, der von der Republik eine Subvention erhielt104). Nach An­97) HHStA NPA 319 (Liasse Österreich 31111)-. DÖStaA ZI. 1593/2 1920, Erlaß an Pastor 1920 April 27 (Konz.). 98) Ebenda: DÖStaA ZI. 4521/1920, Bericht Rom V. ZI. 59, 1920 Oktober 29. ") Vgl. oben Anm. 98. 10°) HHStA Ges. A. Rom V. 1918-1938 6 (Konv. Anima): Bericht Rom V. ZI. 5, 1921 Jänner 6. Zu Kardinal Francesco Ehrle (1845—1934) SJ, seit 1922 Kardinal, vgl. Pa­stor Tagebücher 754f, 761, 834 und passim; Engel-Janosi Vom Chaos 61; NDB 4 (Berlin 1959) 360f. 101) HHStA NPA 319 (Liasse Österreich 3/111): ÖMA ZI. 3892/1 1922, pro domo- Vermerk 1922 Dezember 4; Bericht Rom V. ZI. 23, 1923 Februar 2. 102) Ebenda: Bericht Rom V. ZI. 12, 1923 Jänner 29; ZI. 26, 1923 Februar 5; ZI. 99, 1923 Juni 25. 103) HHStA NPA 87: Bericht Rom V. ZI. 25, 1923 Februar 6; 319 (Liasse Österreich 3/III): Bericht Rom V. ZI. 26, 1923 Februar 5. 104) Zur Dotation des Rektors der Anima vgl. oben Anm. 36. Die Dotation Rektor Brenners wurde im Mai 1918 noch ausbezahlt. Vgl. HHStA NPA 319 (Liasse öster­

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