Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 31. (1978) - Festschrift für Richard Blaas
Horst BRETTNER-MESSLER: Zwischen zwei Kriegen. Der österreichisch-italienische Notenwechsel vom Jahre 1861 betreffend die reziproke Gestattung von Cabotage und Küstenfischerei
Zwischen zwei Kriegen 301 siert sein mußte. Aber auch wegen der in vollem Gange befindlichen Verfassungsverhandlungen war an eine kriegerische Auseinandersetzung schwer zu denken, und letztlich gewann man im Kriegsministerium nach den dort einlaufenden Zahlen ein ganz anderes Bild von der Kriegsbereitschaft des südlichen Nachbarn. Am 14. März 1861 erging daher ein Schreiben des Kriegsministers, August Graf v. Degenfeld-Schonburg, an Benedek, in dem diesem die kaiserliche Ablehnung seiner Forderungen „aus vorherrschend finanziellen Rücksichten“ mitgeteilt wurde7). Der Armeekommandant ließ sich von dieser abschlägigen Antwort jedoch nicht entmutigen, sondern beharrte in weiteren Denkschriften auf der Notwendigkeit vermehrter Rüstungen. Der Kriegsminister entschloß sich nun, die Angelegenheit vor den Ministerrat zu bringen. Er ließ deshalb Benedeks Bericht vom 7. April 1861 durch den Vorstand des Evidenzbüros, Anton Ritter v. Kálik, einer genauen Analyse unterziehen, die wiederum zu einem anderen Ergebnis kam8). Die Äußerungen der beiden Militärs (Benedek und Kálik) wurden sodann am 14. April 1861 in einer unter dem Vorsitz des Kaisers abgehaltenen Sitzung beraten, an der nur Erzherzog Rainer, Rechberg, Degenfeld und Plener teilnahmen. Es zeigte sich, wie im Dezember 1860, daß der Außenminister kein klares Bild der außenpolitischen Situation besaß. Es sei unmöglich, „auch nur mit einiger Gewißheit zu berechnen, welche Schritte in Paris werden beschlossen werden. . . Von Sardinien allein sei aber ein Angriff nicht zu erwarten, außer wenn im Orient eine große Konflagra- tion ausbricht oder, wie Se. Majestät der Kaiser beizufügen geruhten, wenn Sardinien durch einen Angriff Garibaldis fortgerissen wird“. Der Finanzminister äußerte die Ansicht, die internationale Finanzlage deute eher auf friedliche Absichten Frankreichs hin. Er ersuchte vorderhand, von neuen großen Truppenaufstellungen Abstand zu nehmen, und warnte besonders vor auffallenden Kriegsvorbereitungen, „weil ihm dadurch die nötigen Finanzoperationen sehr erschwert werden würden“. Der Kaiser entschied hierauf, Degenfeld möge Benedek „im beruhigenden Sinne unter Mitteilung der von Oberst Kálik beigebrachten Daten“ schreiben9). Ganz in diesem Sinne lautete dann die ausführliche Antwortnote des Kriegsministers vom 18. April 1861l0). 7) Degenfeld an Benedek, 1861 März 14 Wien, Konzept, in Beantwortung dessen Berichtes, 1861 Februar 28 Verona, Reinschrift (Nr. 328 op. gh.); siehe auch den Bericht Benedeks an Degenfeld, 1861 März 10 Verona, Reinschrift (Nr. 379 op. gh.); alle Schriftstücke in Kriegsarchiv Wien, Kriegsministerium Präsidium CK. Nr. 1007/1861 (weiterhin zitiert als KA KM Präs.). ®) Benedek an Degenfeld, 1861 April 7 Verona, Reinschrift (Nr. 573 op. gh.); siehe auch Benedek an Degenfeld, 1861 April 2 Verona, Reinschrift (Nr. 522 op. gh.); beide Schriftstücke in KA KM Präs. CK. Nr. 1645 et 1764/1861. Die Anmerkungen Kaliks befinden sich linksbrüchig auf dem Bericht Benedeks von 1861 April 7. 9) Die Protokolle des österreichischen Ministerrates 1848-1867 V/l 276f. 10) Degenfeld an Benedek, 1861 April 18 Wien, Konzept: KA KM Präs. CK. Nr. 1645 et 1764/1861.