Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 31. (1978) - Festschrift für Richard Blaas
Hans WAGNER: Die Lombardei und das Freimaurerpatent Josephs II. von 1785
148 Hans Wagner bale Marchese Beccaria, ein jüngerer Bruder des berühmten Strafrechtsreformers Cesare Beccaria45). Im Februar 1785 konnte sich dann Paolo Antonio Reina in Wien als Repräsentant der Provinz Lombardei legitimieren, die Mitgliederlisten und den Revers der Provinzloge übergeben und um die ordnungsgemäße Konstituierung der Provinz Lombardei bitten46). Viazzoli hat im Sommer 1785 die Leitung der Loge „Concordia“ an den Marchese Cal- derara abgegeben, er wurde Meister der Distriktloge47). Bei den Großbeamten ist den Mailändern eigentlich keine Wahl geblieben, sie mußten die in Wien genehmen Brüder akzeptieren. Das geht deutlich aus dem Umstand hervor, daß Graf Wilczek selbst trotz heftigen Sträubens das Amt des Provinzialgroßmeisters übernehmen mußte, obwohl er und die Mailänder Loge für den Grafen Künigl eingetreten sind. Die Antwort an Wilczek auf einen entsprechenden Antrag lautete, daß alle Mitglieder der Großen Landesloge, insbesondere Fürst Dietrichstein, Graf Karl Pälffy und Graf Georg Bänffy, glühend wünschten, daß Wilczek selbst Provinzialgroßmeister werde, weil nur unter seiner Führung die größte Ordnung herrschen und sich der Orden unter seinem Schutz am besten entwickeln werde48). Schließlich wurde Wilczek gestattet, die mit der Führung verbundene Arbeit zum Teil auf Graf Künigl als deputierten Großmeister abzuwälzen49). Ähnliche Bestrebungen zur Einsetzung von Gouverneuren als Provinzialgroßmeister lassen sich auch anderswo feststellen. Über die lombardische Freimaurerei ist später nichts Besonderes mehr zu berichten. Bis 1787 traten der „Concordia“ noch einige Brüder aus Cremona bei, die Fiktion der Provinzialgroßloge wurde auch mit der einzigen in Mailand gestatteten Loge beibehalten, die es im Jahr 1787 immerhin auf 73 Mitglieder brachte50). Die Freimaurer waren in Mailand als von der Regierung toleriert so bekannt, daß sie sich z. B. in der Scala eine eigene Loge halten konnten, die der Däne Friedrich Münter bei seinem Aufenthalt in der Hauptstadt der Lombardei am Beginn des Jahres 1787 regelmäßig besuchte, während ihm eine Arbeit in der eigentlichen Loge, im freimaurerischen Tempel, keineswegs imponieren konnte51). Auch in den übrigen Provinzhauptstädten der Monarchie haben die Freimaurer ihre Anzahl damals noch gesteigert, da sie Mitglieder der aufgelösten Logen in den kleineren Städten übernahmen. Was können die durch einen Zufall genauer bekannten Vorgänge in Mailand im Vergleich zur Entwicklung in anderen Teilen der Monarchie zur Vorge45) Viazzoli an Reina, 1784 Dezember 4: ebenda fol. 93. Vgl. dazu Francovich Storia 366 Anm. 16. 46) Protokollauszug der Großen Landesloge von Österreich, 1785 Februarii: Vertrauliche Akten 71 fol. 68. 47) Viazzoli an Reina, 1785 Juli 30: ebenda fol. 78. 48) Unter anderem Viazzoli an Reina, 1784 Oktober 28, und Reina an Wilczek, undatiert: ebenda fol. 87 und 121. 49) Konzept Reinas, ohne Datum: ebenda fol. 110 und 118. 50) Die Logenliste der „Concordia“ von 1787 ist abgedruckt bei Francovich Storia 375 f Anm. 31. 51) Ebenda 428 nach dem Tagebuch Friedrich Münters.