Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 31. (1978) - Festschrift für Richard Blaas

Hans WAGNER: Die Lombardei und das Freimaurerpatent Josephs II. von 1785

Lombardei und Freimaurerpatent 1785 145 bald eine eigene Loge zu errichten. Im Juli konnte Reina aus Wien mitteilen, daß nun die Statuten der Großloge fixiert seien, daß man in den deutschen Erblanden, in Ungarn, in Siebenbürgen, in Böhmen mit Mähren und Öster- reichisch-Schlesien, in Galizien und in der Lombardei Provinzialgroßlogen gründen werde, während man in den österreichischen Niederlanden noch ein Jahr zuwarten wolle. Auf Wunsch des Kaisers sollten alle Logen nach dem gleichen Ritual arbeiten und die neu zu gründenden Distriktlogen aus drei­zehn Mitgliedern bestehen35). Eine besondere Schwierigkeit bildete die Frage der Hochgrade. Bisher war es in der ganzen Monarchie üblich gewesen, daß die Logenführung aus Brüdern bestand, die den vierten oder Schottengrad erhalten hatten. Damit war bei der Wahl der Kreis der Kandidaten von vornherein eingeengt. Viazzoli, der diesen Grad selbst besaß, forderte daher auf Wunsch der Mitglieder der „Concordia“ immer stürmischer die Bewilligung der Arbeit in höheren Gra­den. Das aber entsprach nicht dem josephinischen Reformplan, und Reina mußte ihn daher ständig unter verschiedenen Ausflüchten hinhalten36). Als Nachfolger Viazzolis, der selbst die Distriktloge übernehmen sollte, war Graf Kaspar Künigl, Rat beim Mailänder Magistrat, vorgesehen. Deshalb reiste Künigl nach Cremona und ließ sich dort den vierten Grad erteilen37). Am meisten scheint diese Frage die Loge in Cremona bewegt zu haben, die selbst ein Hochgradkapitel hatte und diese Arbeiten unbedingt fortsetzen wollte. Zur Frage der Unterstellung unter die jüngere Mailänder Loge kam hier noch die Schwierigkeit mit den Hochgraden. Das führte dazu, daß die Loge „San Paolo Celeste“ den Anschluß an die zu bildende Mailänder Provinzial­großloge immer wieder verzögerte, obwohl die Mutterloge in Turin und das Direktorium von Italien ohne Schwierigkeiten die Zustimmung zur Unter­stellung unter die Mailänder Provinzialgroßloge und die österreichische Große Landesloge gaben38). Bei der Darstellung der Vorgänge in Cremona ist Francovich ein schwerer, wenn auch verständlicher Fehler unterlaufen, der ihn zu Schlüssen führte, die aus der Lombardei ein Versuchsfeld der Freimaurerreform gemacht hät­ten, wie das früher auf dem Gebiet der Kirchenpolitik unter Maria Theresia ja tatsächlich der Fall gewesen ist. Im Faszikel des Briefwechsels Viazzoli- Reina ist die ursprüngliche Reihenfolge im Lauf der Zeit total durcheinander 35) Reina an Viazzoli, 1784 Juli 21: ebenda fol. 122 f. 36) Diese Frage taucht in der Korrespondenz 1784 und 1785 immer wieder auf. Sie soll im einzelnen hier nicht behandelt werden. 37) Giulio Reina, in Abwesenheit Viazzolis, an Reina, 1784 Mai 7, und Viazzoli an Reina, 1784 November 14: ebenda fol. 34f und 184f. Damit fällt aber die Vermutung bei Francovich Storia 363 Anm. 12, daß der Mailänder Graf Kaspar Künigl mit Graf Kaspar Hermann Künigl, Rat am Prager Appellationsgericht, identisch sei. Kas­par Hermann hat in der Strikten Observanz als „Eques a Testudine Nigra“ eine große Rolle gespielt und sicher viel höhere Grade besessen. Graf Kaspar Künigl dürfte aus der Tiroler Linie des Hauses stammen. 3S) Über die Verhandlungen mit der Loge in Cremona vgl. Francovich Storia 371 ff. Mitteilungen, Band 31 10

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