Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 31. (1978) - Festschrift für Richard Blaas

Hans WAGNER: Die Lombardei und das Freimaurerpatent Josephs II. von 1785

Lombardei und Freimaurerpatent 1785 143 zoli immer eindringlicher einen Befehl der Großen Landesloge an Wilczek zu einem radikaleren Eingreifen. Erzherzog Ferdinand wisse von der Existenz der „Concordia“ und der Loge Biragos, ihm sei auch bekannt, daß sein Obersthofmeister mit dem Provinzialgroßmeister identisch sei. Warum könne also der bevollmächtigte Minister und damit der Vertreter der Staatsgewalt nicht gegen Versammlungen einschreiten, die gegen die guten Sitten, gegen die Religion und gegen den Staat selbst gerichtet seien26)? Im September mußte Viazzoli überdies von der Existenz einer zweiten Winkelloge berich­ten, die freilich nur aus Taugenichtsen bestehe, die echten Brüder aber ver­wirre und deren öffentliches Ansehen gefährde27). Auf der anderen Seite weigerte sich Wilczek, einen Brief der Großloge an Erzherzog Ferdinand weiterzugeben - offenbar wegen des Rittmeisters Gra­fen Rebuffi, der mit dem Mailänder Hof in Verbindung stand. Nach und nach trat die Hauptschwierigkeit zutage, die Dietrichstein und Wilczek am Han­deln hinderte. Wilczek brauchte einen offiziellen Befehl, dieser konnte aber nicht ohne Kenntnisnahme durch den Staatskanzler Kaunitz, der ja auch Chef des Dipartimento d’Italia war, von Wien nach Mailand durchgegeben werden. Vergeblich wandten sich Reina mit Genehmigung der Großloge an den Vizekanzler Graf Philipp Cobenzl, der dem Bund angehörte, und die Mailänder an den Sohn des Staatskanzlers, Graf Ernst Kaunitz, der 1782 selbst Meister vom Stuhl der Wiener Nobelloge „Zur gekrönten Hoffnung“ war28). Im Juli 1785 rückte Reina endlich den Mailändern gegenüber mit der Wahrheit heraus, daß es nicht möglich sei, Wilczek durch einen Befehl von Wien aus zum Einschreiten gegen Birago und dessen Anhänger zu ermächti­gen. Er habe deshalb mit Graf Cobenzl gesprochen, der erklärt habe, es sei völlig unmöglich, daß ein solcher Befehl nicht dem Fürsten Kaunitz unter die Augen käme: „Die Ideen des Fürsten über die Freimaurerei sind wunderlich, in der Art, daß er, wenn er so etwas sieht, alles ins Lächerliche zieht. Das könnte dem Orden nur Schaden zufügen“29). In einem undatierten Konzept Reinas, das wahrscheinlich zum Beginn des Jahres 1786 zu setzen ist, weil es auf das in Österreich, Böhmen und Ungarn bereits publizierte Freimaurerpa­tent anspielt, steht ebenfalls: „Le Prince traite la Massonnerie en Baga­telle“30). Diese Aussagen sind für die Geschichte der österreichischen Freimaurerei deshalb sehr wichtig, weil bisher immer wieder die Behauptung auftauchte, 26) Viazzoli an Reina, 1785 Februar 5: ebenda fol. 12lf. 27) Viazzoli an Reina, undatiert (vor dem 18. September 1785), September 20 und Oktober 1: ebenda fol. 214/19, 215 und 216f. 2S) Reina an Viazzoli, 1785 Mai 21, und Viazzoli an Reina Juni 15: ebenda fol. 82 und 52. Zu Ernst Kaunitz vgl. Abafi 4 203. 29) Reina an Viazzoli in dessen damaliger Eigenschaft als Provinzialgroßsekretär, 1785 Juli 18 (Vertrauliche Akten 71 fol. 192 f): „Le idee di S(ua) A(ltezza) riguardo alia Mass(oneria) sono stravaganti in modo che vedendo cosi simüi metterebbe tutto in ridicolo e non servirebbe che a disavvantaggio dell’Ordine.“ 30) Reina an Graf Kaspar Künigl: ebenda fol. 186.

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