Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 31. (1978) - Festschrift für Richard Blaas

Hans WAGNER: Die Lombardei und das Freimaurerpatent Josephs II. von 1785

140 Hans Wagner trug sie den Namen „San Paolo Celeste“15). Da das Regiment wegen des Bayerischen Erbfolgekriegs 1778 nach Böhmen verlegt wurde, machte die österreichische Provinzialgroßloge Schwierigkeiten mit der Anerkennung. Wegen des Krieges war ja damals eine Verbindung zur preußischen Großen National-Mutterloge in Berlin nicht möglich. Wohl deshalb haben sich die Cremoneser unter dem neuen Stuhlmeister Graf Giovanni Battista Biffi, ei­nem Freund Beccarias und Verris, der als Übersetzer tätig und Mitglied der „Accademia dei Pugni“ in Mailand war16), nach Turin an das italienische Großpriorat des rektifizierten Ritus nach dem Lyoner System um Anerken­nung gewandt und sie auch erhalten. Von einer Loge in Mailand ist in dieser Zeit nichts bekannt geworden. Ihre erste Nennung erfolgt erst durch die in Wien erhaltenen Korrespondenzen im Jahr 1783, was natürlich nicht heißt, daß sie nicht schon früher entstanden sein kann. Immerhin hat aber später Cremona unter Berufung auf das höhere Alter der Loge eine Unterstellung unter Mailand abgelehnt. Das erste Zeugnis der „Concordia“ ist ein Schreiben ihres Stuhlmeisters an den Verleger und Kunsthändler Pasquale Antonio Artaria, Mitglied der Loge „Zur gekrönten Hoffnung“ in Wien, vom 29. März 1783, aus dem hervorgeht, daß die „Concordia“ bereits von der österreichischen Provinzialgroßloge an­erkannt worden war17). Ihr Stuhlmeister war damals ein junger Mann, der Jurist Ambrogio Birago aus Cremona, 29 Jahre alt, „von schwierigem Cha­rakter und autoritär“. Ferner kennen wir Vincenzo Borsotti, der das Amt des Redners innehatte, aber durch seine Verbindung mit Birago eine große Rolle spielte. Zu dieser Partei gehörte auch der Rittmeister Graf Giuseppe Rebuffi, zweiter Sekretär der Loge. Zur Opposition müssen der erste Aufseher Gio­vanni Viazzoli, Beamter bei der Mailänder Rechenkammer, und dessen Bru­der Giacinto, ein Bankangestellter, gerechnet werden. Über den folgenden sich jahrelang hinziehenden Streit sind wir nur einseitig aus Schreiben und Aufzeichnungen Viazzolis informiert. Der Zwist artete in einen mit allen Mitteln der Intrige und Verleumdung geführten erbitterten Kampf aus, der dem Logennamen „Concordia“ wenig Ehre macht. Ein Urteil darüber ist we­gen der Einseitigkeit der Quellen nicht möglich. Sicher ist aber, daß die Brü­der Viazzoli die Wiener zentralistischen Bestrebungen unterstützten, wäh­rend der zweifellos viel bedeutendere Birago wahrscheinlich schon damals radikalere demokratische und nationale Tendenzen vertreten hat. Jedenfalls hat er später in der Cisalpinischen Republik eine große Rolle gespielt, er war dort kurze Zeit Kriegs- und dann Außenminister und vertrat gegen das Di­rektorium die jakobinische Richtung. Trotzdem brachte er es im Regno noch 1811 zum „Ministro del Tesoro“ und wurde von Napoleon in den Grafen­stand erhoben18). ls) Abafi Freimaurerei 5 (Budapest 1899) 365f - den Namen „Dell’Aurora“ trug wahrscheinlich das Kapitel - und danach Francovich Storia 371ff. 16) Dizionario Biografico degli Italiani (= DBI) 10 (1968) 378 ff. 17) Vertrauliche Akten 71 fol. 2; vgl. Francovich Storia 358f. 18) DBI 10 567 f.

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