Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 31. (1978) - Festschrift für Richard Blaas

Hans WAGNER: Die Lombardei und das Freimaurerpatent Josephs II. von 1785

Lombardei und Freimaurerpatent 1785 139 rigistischen Freimaurer-Patent von 1785 geführt, das den raschen Nieder­gang des Bundes in der Monarchie verursacht hat. Bisher konnte der Gang der Entwicklung nur unvollkommen aus den bei Abafi verwerteten maurerischen Korrespondenzen verfolgt werden, die in ihrem meist offiziellen Charakter nur wenig aussagen. Auch die erhaltenen Protokolle der Wiener Eliteloge „Zur wahren Eintracht“ sind in diesem Punkt nicht sehr aufschlußreich, da man sich verständlicherweise hütete, zu genau über interne Schwierigkeiten zu berichten11). Die Archive der Großen Landesloge und ihrer Vorläuferin, der österreichischen Provinzialloge, haben sich nicht erhalten, wie überhaupt durch die nach der Französischen Revolu­tion einsetzende Verfolgung der Freimaurerei nur wenige Spuren ihrer im 18. Jahrhundert zweifellos bedeutenden Tätigkeit übriggeblieben sind. Was wir noch besitzen, ist zum Großteil in den Geheimakten des Haus-, Hof- und Staatsarchivs durch die Sammeltätigkeit Kaiser Franz’ II. selbst erhalten ge­blieben. Vor kurzem hat Carlo Francovich in seiner vorzüglichen Geschichte der Freimaurerei in Italien auf einen in den Geheimakten enthaltenen Brief­wechsel aufmerksam gemacht, der zwischen dem Meister vom Stuhl der Loge „Concordia“ in Mailand, Giovanni Viazzoli, später Meister der dortigen Di­striktloge, und dem Kaufmann Paolo Antonio Reina, dem Vertreter der Lom­bardei bei der Großen Landesloge in Wien, in den Jahren 1783 bis 1789 ge­führt wurde. Er hat ihn auch in seinem Kapitel über die Loge „Concordia“ ausgewertet12). Der Inhalt der über siebzig erhaltenen Briefe, Rundschreiben und Abschriften zugehöriger Dokumente lassen die Situation in der Lombar­dei sehr genau erkennen und ermöglichen so Rückschlüsse auf ähnliche Vor­gänge in anderen Gebieten der Monarchie. Sie sind außerdem durch Kon­zepte Reinas, in dessen Besitz das Konvolut ursprünglich gewesen sein muß, verhältnismäßig vollständig13). Es ist sehr wahrscheinlich, daß die im folgen­den etwas genauer geschilderten Mailänder Ereignisse nicht unwesentlich zur Entstehung des Freimaurerpatents beigetragen haben. In Maüand hat es in den Fünfziger] ahren eine Loge gegeben, die vom Uhr­macher Georges Madiott, einem Kalvinisten aus Genf, gegründet wurde und hauptsächlich aus österreichischen Offizieren der dort stationierten Regi­menter bestand, vor allem Ungarn und Schweizern. Sie wurde 1756 entdeckt und daraufhin die Freimaurerei 1757 durch ein Edikt des Gouverneurs der Lombardei, Herzog Franz von Modena, im ganzen Stato di Milano verbo­ten14). Erst 1776 läßt sich in Cremona wieder eine Loge nachweisen, die an­fangs ebenfalls von österreichischen Offizieren getragen und vom Husaren­obersten Graf Paul Bethlen vom Regiment Greven gegründet wurde. Daher “) Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Kabinettsarchiv, Vertrauliche Akten 79 und 89 (alt 122 und 133). 12) Carlo Francovich Storia della Massoneria in Italia dalle origini alia Rivolu- zione Francese (Firenze 1974, ristampa accresciuta 1975), das Kapitel über die Lom­bardei 355—380. Den Hinweis auf dieses Werk verdankt der Verfasser dem Jubilar. 13) Vertrauliche Akten 71 (alt 113) fol. 1-226. 14) Francovich Storia 149-160.

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