Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 31. (1978) - Festschrift für Richard Blaas

Hans WAGNER: Die Lombardei und das Freimaurerpatent Josephs II. von 1785

138 Hans Wagner oben her gefördert wurde. Der Kaiser brauchte zur Propaganda für die bei den Privilegierten und beim Volk in gleicher Weise unbeliebten Neuerungen, die nahezu alle Lebensbereiche erfaßten, zuverlässige Helfer und Gesin­nungsgenossen. Bei den Freimaurern konnte er sie zweifellos finden, aller­dings nur bei dem Teil, den man als gemäßigte Mitte bezeichnen könnte, dem aber sicher die Mehrheit der Brüder angehörte. Widerstände waren beim Adel und bei der radikalen Jugend zu erwarten, vor allem aber in den ein­zelnen Ländern, die sich gegen den Wiener Zentralismus zur Wehr setzten. Dazu kamen freilich noch die demokratische Ordnung des Bundes, die den einzelnen Logen große Autonomie gewährte und nur wenig Spielraum für Maßnahmen der Großloge ließ, und das ausdrückliche, der englischen Tradi­tion entsprechende Verbot der Behandlung politischer und religiöser Fragen, eine notwendige Bedingung für ein erzieherisches und humanitäres Pro­gramm, das Menschen verschiedener Richtungen und Konfessionen vereini­gen wollte9). Die Propaganda der Reform innerhalb des Bundes war also ohne Zerwürfnisse nur schwer möglich. Vor allem aber mußte die geplante straffe Führung durch die Große Landesloge mit ihren zentralistischen und undemokratischen Tendenzen das Eigenleben der Logen stören und Wider­stände hervorrufen. Über die Stellung Josephs H. zur Freimaurerei haben wir nur wenige direkte Aussagen. Mit Sicherheit kann man sagen, daß er dem Bund selbst nicht an­gehörte und es bis 1785 vermied, sich öffentlich über ihn zu äußern. Es gibt zwar viele Schriften, in denen sich die Brüder auf ihn berufen, wir wissen aber nicht, ob sie dazu wirklich autorisiert waren. Daß der Großmeister der österreichischen Provinzialloge und später der Großen Landesloge, Johann Karl Graf — später Fürst - Dietrichstein-Proskau, kaiserlicher Oberststall­meister, zu den engsten Freunden und Vertrauten Josephs II. gehörte, ist un­bestritten, wenn auch sein Einfluß von Großherzog Peter Leopold als höchst ungünstig bezeichnet wird10). Dietrichstein, dem vor allem rosenkreuzerische Neigungen zugeschrieben wurden, hatte aber sicher nicht das Format, große Änderungen im Sinn des Kaisers vorzunehmen, er mußte sich auf seine Mit­arbeiter verlassen, deren Anteil ebenfalls nicht genau zu bestimmen ist. Daß Ignaz von Born, der dem Rosenkreuzer Dietrichstein als Naturforscher un­entbehrlich war, eine Hauptrolle in seiner Stellung als Großsekretär gespielt hat, kann wohl angenommen werden. Jedenfalls besteht kein Zweifel, daß sich Joseph H. in einem Ausmaß, das später nur von Kaiser Napoleon über­troffen wurde, der Freimaurerei für seine Ziele bedienen, sie dafür aber auch unter eine straffe, allein von ihm abhängige Führung bringen wollte. Die Schwierigkeiten, die sich dabei aus den verschiedenen Haltungen einzelner Richtungen, vieler Logen und ganzer Provinzen ergaben, haben dann zum di­*) James Anderson The Constitutions of the Free-Masons (London 1723, Facsi­mile Edition 1976) 54, im Kapitel über die Pflichten eines Freimaurers, und in der 2. Auflage (The New Book of Constitutions, London 1738) 147. 10) Adam Wandruszka Leopold II. (Wien-München 1963/65) 1 345 und 2 96.

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