Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 30. (1977)

HOFFMANN, Robert: Die wirtschaftlichen Grundlagen der britischen Österreichpolitik 1919

262 Robert Hoffmann in existence in those countries with which Peace may finally be conclu­ded“ 3!;). Curzons Initiative erfolgte jedoch zu spät. Am 22. März wurde in Budapest die Räterepublik ausgerufen und in einem Kommentar zu Cur­zons Note hieß es dann lapidar: „There ist unfortunately no Government in Hungary to recognize or co-operate with“36 37 38). Die sich zaghaft ent­wickelnde britische Konzeption einer durch die Siegermächte forcierten wirtschaftlichen Zusammenarbeit der Nachfolgestaaten wurde somit durch Béla Kuns Machtübernahme vorerst einmal abrupt unterbrochen. Die Etablierung einer rätedemokratischen Regierung im Bereich der Nachfolge­staaten hatte aber auch eine Stärkung jener Foreign-Office-Kreise zur Folge, die in der Auflösung der Habsburgermonarchie und der Bildung eines Gürtels selbständiger Nationalstaaten kein stabilisierendes Element einer Nachkriegsordnung sahen 88). V Auf der Pariser Friedenskonferenz vollzog Lloyd George unter dem Ein­druck der ungarischen Ereignisse vorübergehend eine radikale Wendung seiner bisherigen Politik. „By now“, schreibt Arno J. Mayer, „Lloyd Geor­ge knew the high cost of giving first priority to Anglo-French harmony ... He shied back, however, from being party to a territorial settlement which would endow the Continent with an explosive legacy of festering national rivalries and irredenta, especially in Eastern Europe“39). Der britische Premier dachte bei der Abfassung des berühmten „Fontainebleau-Memo­randums“, in welchem er die möglichst weitgehende Anwendung des Na­tionalitätenprinzips und eine Mäßigung in der Reparationsfrage forderte, vor allem an die Gefahr einer deutsch-russischen Allianz unter bolsche­wistischem Vorzeichen. Zwischen der ungarischen und der bayerischen Räterepublik gelegen, wurde Österreich von der Friedenskonferenz des­halb bis zum gescheiterten kommunistischen Putschversuch vom 17. April in Wien als der zunächst gefährdete Dominostein im Rahmen einer be­fürchteten Weltrevolution angesehen. Außer der schon erwähnten Aufhe­bung der Blockade in den letzten Märztagen und Oberst Cuninghames Autorisierung, der Regierung Renner für den Fall sozialer Unruhen die sofortige Unterbrechung der Lebensmittellieferungen anzudrohen 40), ver­36) Brief von Curzon an Balfour, 1919 März 18: PRO FO 608 6/4749. 37) Kommentar A. W. A- Leepers, 1919 März 26: ebenda. 38) Vgl. R e c k e r England und der Donauraum 98 ff. 39) Arno J. Mayer Politics and Diplomacy of Peacemaking. Containment and Counterrevolution at Versailles, 1918—1919 (New York 1967) 578. 40) Telegramm von Balfour an Cuninghame, 1919 April 10: Documents on British Foreign Policy 1919—1939 (abgekürzt: DBFP), hg. von E. L. Wood­ward und Rohan Butler 1/6 (London 1956) (n. 3, Anm. 5. Cuninghame be­nutzte die Drohung mit dem Stop der Lebensmittelzufuhr in der Folge zu mas-

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