Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 30. (1977)

HOFFMANN, Robert: Die wirtschaftlichen Grundlagen der britischen Österreichpolitik 1919

Britische Österreichpolitik 1919 255 to some extent paper claims“ seien, während „the sums we ourselves owe to the United States must undoubtedly be regarded as very real debts“; deutlich erkannte er die daraus resultierenden Konsequenzen: „Such a burden will cripple our foreign development in other parts of the world, and will lay us open to future pressure by the United States of the most objectionable description“ 11). Keynes empfahl deshalb seiner Regierung, den Vereinigten Staaten schon bei der Eröffnung der Friedenskonferenz einen wechselseitigen interalliierten Schuldenerlaß vorzuschlagen. Groß­britannien könne dann auf den eigenen Anteil an den Reparationen ver­zichten, „not as against the enemy from whom it would be claimed, but for herself, placing this sum at the disposal of the peace conference to be applied ... either to set up the new states to be carved out of the enemy empires or for any purpose“ 12 13). Keynes’ Vorschlag war kein Erfolg beschieden. Der intellektuelle Expo­nent einer Minderheit von „appeasers“ vermochte seine Vorstellungen von einer Sieger und Besiegte umfassenden, auf einen Wiederaufbau des inter­nationalen Wirtschaftssystems bedachten Friedensstrategie weder zu die­sem Zeitpunkt, noch später auf der Pariser Friedenskonferenz durchzu­setzen. Das Verhältnis gegenüber den Vereinigten Staaten bildete dabei den Angelpunkt der britischen Nachkriegspolitik. Nach der Ansicht von Gustav Schmidt waren zwei Varianten einer britischen Friedensstrategie denkbar: „1. im Rahmen eines wirtschaftlichen Völkerbundes auf der Basis der anglo- amerikanischen Partnerschaft, indem die verbündeten Nationen gleichsam den ,Krieg“ mit wirtschaftlichen Mitteln zu konstruktiven Zwecken fortführten, oder 2. unter der Voraussetzung, daß Englands Potential ausreiche, um durch bloße Androhung wirtschaftlichen Drucks oder Anerbieten von Wirtschaftshilfe die England genehme Friedensordnung herbeizuführen“ ls). Der ersten Konzeption, die von den „Reconstructionalists“ vertreten wur­de, blieb der Erfolg versagt, denn die Ablehnung der USA, die ihre Ent­scheidungen in keiner Weise präjudiziert sehen wollte, lenkte die englische Politik in die zweite Richtung. Da das britische Wirtschaftspotential aber eine extensive Außenwirtschaftspolitik und eine Rücksichtnahme auf Sta­bilität und sozialpolitische Notwendigkeiten zur gleichen Zeit ausschloß, konnte sich auch diese Konzeption nicht vollinhaltlich durchsetzen. In der Folge verhinderte eine weitgehende Paralysierung des innenpolitischen Entscheidungsprozesses die Ausformung einer konsequenten außenpoli­tischen Linie. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Anhängern einer währungsorientierten Stabilitätspolitik und den Befürwortern einer n) John Maynard Keynes’ Memorandum on the Treatment of Inter-Allied Debt arising out of the War, 1918 November o. T.: Activities 1914—1919. The Treasury and Versailles (The Collected Writings of John Maynard Keynes 16, Cambridge 1971), hg. von Elizabeth Johnson 418. 12) Ebenda. Hervorhebung im Original. 13) Schmidt Politische Tradition und wirtschaftliche Faktoren.

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