Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 30. (1977)
HOFFMANN, Robert: Die wirtschaftlichen Grundlagen der britischen Österreichpolitik 1919
Britische Österreichpolitik 1919 253 „As regards the Continent of Europe, as contrasted with Asia and Africa, this Country has no direct territorial interests, nor has it special and peculiar commercial interests; our general object must be the establishment of a stable condition; the great danger to be guarded against is anything which would again threaten to entangle us in a great Continental War; it is also in our interest that civil disturbances should as far as possible, be avoided. What we want is peace and order with open facilities for trade“ 3). Der dem Political Intelligence Department angehörende Verfasser des Memorandums erkannte, daß es vor allem die nationalen und territorialen Probleme im Bereich der Nachfolgestaaten waren, die der Herstellung eines solchen Zustandes im Wege standen. Er äußerte aber die Hoffnung, daß der geplante Völkerbund in Zukunft der Garant einer „condition of permanent security“ in diesem Raum sein werde, und betonte in diesem Zusammenhang: „The establishment of this condition will, so far as it is possible, be the work of the Peace Conference“ 4). Gerade die politischen und sozialen Umwälzungen im östlichen Mitteleuropa vollzogen sich jedoch weitgehend außerhalb der Kontrolle der Siegermächte. Die britische Diplomatie war sogar noch im letzten Kriegsjahr darum bemüht gewesen, Österreich-Ungarn zu einem Separatfrieden zu bewegen und hatte deshalb bis Mitte 1918 darauf verzichtet, die nationalen Komitees der Tschechen und Südslawen als verbündete kriegsführende Mächte anzuerkennen5). Während Frankreich und Italien unmittelbar nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandes darangingen, ihre Einflußsphären im Bereich der neuen Staaten aufzubauen, blieb man auf britischer Seite fast untätig6). Auch die gegen einen Fortbestand Österreich-Ungarns agierende Massenpresse, vor allem des Northcliffe- Konzerns, vermochte Regierung und Foreign Office nicht zur Erstellung und Durchführung eines wirksamen Handlungskonzepts zu bewegen. In London hoffte man vielmehr darauf, eine eigene globale Friedensstrategie auf der im Januar beginnenden Pariser Friedenskonferenz voll zum Einsatz bringen zu können, ohne daß allerdings schon vorher eine einheitliche Haltung der britischen Entscheidungsträger in wesentlichen Fragen, wie der Anwendung des Selbstbestimmungsrechts oder dem Einsatz der eigenen Machtmittel, zustande gekommen wäre7). 3) Memorandum on Europe, 1918 Dezember 25: Public Record Office London Foreign Office series 371 vol. 4353 file 23 (abgekürzt: PRO FO 371 4353/23). 4) Ebenda. s) Zur britischen Politik gegenüber Österreich-Ungarn während des Weltkrieges vgl. Harry Hanak The Government, the Foreign Office and Austria- Hungary 1914—1918 in The Slavonic and East European Review 47 (1969) 161—197 und V. H. Rothwell British War Aims and Peace Diplomacy 1914— 1918 (Oxford 1971). 6) Hoffmann British Military Representative 252—254. 7) R e c k e r England und der Donauraum 2 und 35. Hoffmann Mission Cuninghames 15—31. Innerhalb des Foreign Office bestand zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal Übereinstimmung in der Anschlußfrage: ebenda 26.