Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 30. (1977)

LILLA, Joachim: Innen- und außenpolitische Aspekte der austropolnischen Lösung 1914–1916

233 Joachim Lilla stellt. Bethmann Hollweg stand zwar noch grundsätzlich zu seinen Äuße­rungen vom August, denen Burián ein prinzipielles „Ja“ Deutschlands entnehmen zu können geglaubt hatte, er meldete aber auch Bedenken an gegen die Zweckmäßigkeit der Form eines Subdualismus. Seine zentrale Forderung war die Vertiefung und Sicherung der Stellung der Deutschen in Österreich und die Erneuerung des Bündnisses mit Österreich-Ungarn. Diesen Forderungen stimmte Burián im Grundsatz zu, er wies aber auf die Unmöglichkeit eines baldigen Abschlusses hin: Die konzipierte Lang­fristigkeit des Bündnisses sei unvereinbar mit den zehnjährigen Lauf­zeiten des österreichisch-ungarischen Ausgleichs. Die hierfür erforder­lichen Änderungen der österreichischen Staatsgrundgesetze von 1861 und 1867 bzw. des ungarischen Gesetzesartikels XII von 1867 könnten wegen der gegebenen parlamentarischen Zustände nicht herbeigeführt werden: Der Reichsrat tagte bereits seit 1914 nicht mehr, der Reichstag stand kurz vor der Auflösung 48). Bereits zwei Tage nach Beendigung der Berliner Gespräche schickte Jagow ein Promemoria 49) nach Wien, in dem er den deutschen Standpunkt in der Bündnisfrage darlegte. Es war in Berlin vereinbart worden, das Pro­blem vorerst durch Notenwechsel weiter zu behandeln. Jagow bemerkte, der Zweibund von 1879 sei unter der Voraussetzung der garantierten Vor­herrschaft der Deutschen in Österreich und der Magyaren in Ungarn als Defensivbündnis gegen Rußland geschlossen worden. „Nachdem durch den Verlauf des Krieges und die eventuell mit der Lostren­nung weiterer Gebiete verbundene Niederlage Rußlands der Antagonismus zwi­schen den Zentralmächten und Rußland verschärft und dauernd bleiben wird, erscheint eine weitere Stärkung der nichtdeutschen Elemente4 5«) in Österreich den Grundsätzen unseres Bündnisses und den auswärtigen Interessen beider Kontrahenten zuwiderlaufend. Die Kaiserliche Regierung folgt demnach einem Gebot der Selbsterhaltung — wie sie glaubt, ebenso in ihrem eigenen wie im Interesse der Monarchie und des zu erstrebenden weiteren und engeren Bundes­verhältnisses —, wenn sie der K.u.K. Regierung zur Erwägung dringend unter­breitet, in der ihr geeignet erscheinenden Weise Vorkehrungen zu treffen, durch welche eine fortschreitende Slavisierung Österreichs verhindert und dem ger­manischen Element im Interesse Österreichs als germanischer Ostmark [die] zukommende führende Stellung wieder zugewiesen wird.“ Dieser Auffassung Jagows widerspricht Burián in seiner Erwiderung entschieden. Der Ausgangspunkt der deutschen Argumentation, die gesicherte Vorherrschaft der Deutschen und Magyaren, wäre falsch, denn „es wäre für Graf Andrássy [im Jahre 1879] auch vom Standpunkte der verfassungsmäßigen Struktur der österreichisch-ungarischen Monarchie unmöglich gewesen, das Bündnis mit 4«) Aufzeichnung Jagows von 1915 November 14: ebenda. Vgl. Ritter Staatskunst und Kriegshandwerk 3 134f., Fischer Griff nach der Weltmacht 257 ff, Sweet Germany, Austria-Hungary, and Mitteleuropa 197, Burián Drei Jahre 72. 4«) PAAA Deutschland 180 geh. Bd. 2. 5«) Im Entwurf ursprünglich „des Slaventums“.

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