Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 30. (1977)
LILLA, Joachim: Innen- und außenpolitische Aspekte der austropolnischen Lösung 1914–1916
234 Joachim Lilla 4. Gleichmäßige Munitionsausrüstung sowohl der Art als auch der Menge nach, wobei im Zweifelsfall das deutsche Vorgehen maßgebend sein muß. 5. Übernahme der deutschen Ausbildungsvorschriften. 6. Gemeinsamer Generalstab unter Vorsitz des preußischen [Generalstabschefs] für die gemeinsamen militärischen und wirtschaftlichen Kriegsvorbereitungen. 7. Wechselseitige Kommandierungen von Offizieren zu gewissen Lehranstalten“ 35). Falkenhayns Konzeption eines solch engen militärischen wie auch implizite politischen Zusammenschlusses ist eine Militarisierung der ursprünglichen Mitteleuropaidee Bethmann Hollwegs. Sie findet die Zustimmung anderer Militärs, so auch die Erich Ludendorffs, der in seinem bereits erwähnten Brief an Hans Delbrück vom 29. Dezember 1915 schreibt: „Wir müssen ein starkes Mitteleuropa sein... Die größte Schwierigkeit liegt in Österreich. Meine Ansicht über dieses Land kennen Sie35 36). Es gehört eine weiche, aber eiserne Hand dazu, dieses Land militärisch und wirtschaftlich hochzubringen.“ Der von Gerhard Ritter umfassend untersuchte Dualismus von Politik und Militär in Deutschland vor allem im Ersten Weltkrieg tritt in dieser Militarisierung des Mitteleuropagedankens recht deutlich zu Tage. Die deutsche Diplomatie sieht sich vor die wenig dankbare Aufgabe gestellt, die Forderungen der Militärs vertretbar vorzubringen, ohne sie aber in der Substanz verändern zu können. Die Vertiefung des deutsch-österreichisch-ungarischen Bündnisses war — mit ihren maßlosen Weiterungen — eine Konstante der deutschen Kriegspolitik geworden, entstanden neben anderem aus der vermeintlichen Notwendigkeit einer politischen Garantie im Falle des Anschlusses Polens an Österreich. Die künftigen Verhandlungen zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn über Polen gehen von der deutschen Voraussetzung aus, daß Österreich-Ungarn „selbst zum Kriegsziel [Deutschlands] wird, weil __[es] in der angestrebten engen Bindung an D eutschland sich in den vom Reich beherrschten Gesamtraum einfügen muß“ 37). V Kurz vor der Eroberung Warschaus durch die verbündeten Truppen am 5. August 1915 teilte Bethmann Hollweg dem Vertreter des Auswärtigen Amtes im Großen Hauptquartier, dem Gesandten von Treutier, mit, es sei unmöglich zu sagen, was aus Polen nach Kriegsende werden solle. Sicher sei nur, daß es im Falle eines — noch nicht auszuschließenden — Separatfriedens mit Rußland bei diesem verbleiben werde, abgesehen von 35) Falkenhayn an Bethmann Hollweg: PAAA Deutschland 180 geh. Bd. 2. 36) Zur Ansicht Ludendorffs über Österreich vgl. Z e c h 1 i n Ludendorff 1915 328 f, 334—338, Zitat 352. 37) Fischer Griff nach der Weltmacht 262.