Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 30. (1977)
LILLA, Joachim: Innen- und außenpolitische Aspekte der austropolnischen Lösung 1914–1916
Austropolnische Lösung 1914—1916 233 tim dieses engeren Bündnisses mit der Lösung der polnischen Frage stellt Bethmann Hollweg am 11. September 1915 auf, als er in seinem Begleitschreiben32 33) zur weiter unten eingehender behandelten Denkschrift des Auswärtigen Amtes an Falkenhayn darauf hinweist, der Anschluß Polens an Österreich stelle „die für uns am wenigsten ungünstige Lösung“ dar, „vorausgesetzt, daß die Forderungen, die wir in politischem, wirtschaftlichem und militärischem Interesse stellen müssen, von Österreich erfüllt werden“. Obwohl Falkenhayn weiterhin „mit Entschiedenheit seine bekannten mitteleuropäischen Gedanken“ vertritt, macht er doch Anfang Oktober starke Bedenken gegen eine zu enge, nur militärische Konvention mit Österreich geltend: „Österreich sei ein Kadaver, an den wir uns nicht binden könnten“ 3S). Die Gedanken Falkenhayns über eine enge Verbindung zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn finden ihren prägnantesten Niederschlag im Verlauf einer Unterredung mit Bethmann Hollweg Mitte Oktober 191 5 34). Falkenhayn fordert eine „unlösbare Verbindung“ zwischen beiden Kaiserstaaten, in der „Deutschland als Präsidialmacht die Führung hat. Soweit hierzu erforderlich, muß Österreich seine Souveränität aufgeben.“ Diese enge politische Bindung — oder noch besser: Knebelung — war für Falkenhayn die entscheidende Voraussetzung für eine effektive Militärkonvention, deren Punkte er Bethmann Hollweg am 30. Oktober 1915 als Vorschläge übermittelte und bei deren Abschluß folgende feste Vereinbarungen zu treffen wären: „1. Übertragung des gemeinsamen Oberbefehls im Kriege an den Deutschen Kaiser und infolgedessen Unterstellung [der k.u.k. Armee] auch unter die Deutsche Oberste Heeresleitung. 2. Sicherung der Rechte des Deutschen Kaisers, selbst oder durch Beauftragte größere kriegsmäßige Übungen abhalten zu lassen. 3. Gleichmäßige Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht. dürfte dieser Bund einen Weg bieten, die schwierige Polenfrage einer halbwegs erträglichen Lösung zuzuführen.“ 32) PA A A Weltkrieg 20 c geh. Bd. 1; vgl. auch Sweet Germany, Austria- Hungary, and Mitteleuropa 190. „Unsere speziell wegen Polen aufzustellenden militärischen Forderungen würden ... zweckmäßig mit der allgemeinen straffer zu gestaltenden militärischen Verbindung mit Österreich-Ungarn zu kombinieren sein.“ 33) Bethmann Hollweg an Jagow, 1915 Oktober 13: PAAA Weltkrieg 20 c geh. Bd. 1; in diesem Schreiben legt Bethmann Hollweg auch die Vorstellungen des preußischen Kriegsministers Wild von Hohenborn zu einer Militärkonvention mit Österreich dar: „Der Kriegsminister hält die Angliederung Polens an Österreich für die nach Lage der Dinge am wenigsten ungünstige Lösung, verlangt dafür ... [unter anderem eine] Militärkonvention, in der sich Österreich a. auf bestimmte Präsenzziffer und Dienstzeit, b. auf Zusammenarbeit der Generalstäbe, c. auf noch zu definierende Verpflichtungen bezüglich der polnischen Festungen festlegt.“ 3-*) Bethmann Hollweg an Jagow, 1915 Oktober 15: PAAA Deutschland 180 geh. Bd. 1; vgl. auch Sweet Germany, Austria-Hungary, and Mitteleuropa 192 ff.