Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 30. (1977)

LILLA, Joachim: Innen- und außenpolitische Aspekte der austropolnischen Lösung 1914–1916

224 Joachim Lilla nur in der Föderation mit dem Deutschen Reiche jene wirtschaftlichen und politischen Voraussetzungen erblicken würde, die ihm in der losen Union mit Ungarn und Polen versagt wären“. (Dieser Aspekt findet üb­rigens in umgekehrter Richtung in der deutschen Kriegspolitik gegenüber Österreich seinen Niederschlag.) Aus den genannten Gründen spricht sich Hoyos für eine Angliederung Polens an Österreich in Form eines Sub­dualismus aus 7): „I. Das Verhältnis zu Ungarn würde nach wie vor das gleiche bleiben. II. Die diesseitige Reichshälfte würde zu dem österreichischen Kaiserstaate wer­den, bestehend aus a) den innerösterreichischen Erbländern mit Mähren und Schlesien als haupt­sächlich deutschen Gebieten, b) Böhmen, wobei ein intensiver Minoritätenschutz der Deutschen die Vor­aussetzung für die Gewährung der Autonomie zu bilden hätte und c) dem Königreich Polen.“ Dieses Modell, das in seinen staatsrechtlichen Grundzügen bereits der späteren subdualistischen Konzeption entspricht — abgesehen von der böhmischen Komponente —, kontrastiert Hoyos mit seinen Vorstellungen im Falle der Verwirklichung einer trialistischen Lösung der polnischen Frage. Zur Vermeidung der zu Beginn der Denkschrift aufgezeigten Ge­fahren für den künftigen Bestand der Monarchie wäre es unabdingbar, „1. daß die Regierungen in einem Bundesrate vertreten wären, welcher mit den gemeinsamen Ministern die allen gemeinsamen Angelegenheiten beschließen sollte. Hier könnte die Majorisierung ausgeschlossen werden; 2. daß die Delegationen in gemeinsamer Abstimmung über die gemeinsamen An­gelegenheiten und deren finanzielle Bedeckung beschließen; 3. daß wie jetzt die Zölle auch andere Kategorien indirekter Steuern und Ab­gaben dem Beschlußrecht der Delegationen unterworfen und vom gemeinsamen Finanzministerium verwaltet werden; 4. daß alle Militärangelegenheiten, auch das Rekrutenbewilligungsrecht, den Delegationen überlassen werden; 5. daß der Minister des Äußern als Vorsitzender des Ministerrates die höchste Stelle im Reiche einnehme und daher de facto die Stellung des Reichskanzlers hätte; 6. daß die Gemeinsamkeit des Zoll- und Handelsgebietes für immerwährende Zeit statuiert werde.“ Diese Bedingungen seien für die ungarische Regierung unannehmbar; ins­besondere die mit der Funktion eines Reichskanzlers umschriebene Stel­lung des Ministers des Äußern in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Gemeinsamen Ministerrates müßte von ihr als unerträgliche Stärkung einer zentralen Einrichtung abgelehnt werden, ebenso wie die Gemein­samkeit des Zoll- und Handelsgebietes, dessen Erneuerung in den Aus­gleichsverhandlungen für die Ungarn stets ein politisches Druckmittel be­7) Vgl. auch Tagebuch Redlichs 1 245 (Eintragung von 1914 August 6): „Er [Hoyos] meint, das ganze Polen müsse mit Galizien vereinigt, Ostgalizien für die Ruthenen abgetrennt werden. Er spricht von einem föderalistischen Österreich ...“

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