Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 30. (1977)

RILL, Gerhard: Zur Geschichte der österreichischen Konsulargerichtsbarkeit in Bosnien

österr. Konsulargerichtsbarkeit in Bosnien 187 Die Aufhebung der Konsulargerichtsbarkeit bestand jedoch nicht nur in administrativen, zwischen den betroffenen Dienststellen abgesprochenen Maßnahmen, sie setzte auch außenpolitische Kontakte und eine Abstim­mung auf innenpolitische und staatsrechtliche Prinzipien voraus. Außen­politisch bestanden, wie schon vorher in der gesamten Okkupationsfrage, zuerst Kontakte mit Großbritannien, dessen analoge Position in Zypern ein gemeinsames Vorgehen der beiden Mächte empfahl. Die Absprachen begannen im Dezember 1878 in London „in akademischer Weise“ zwischen der österreichischen Botschaft und Lord Salisbury, der die Aufhebung der Konsulargerichtsbarkeit als „eine theoretisch heikle, praktisch jedoch ein­fache Sache“ bezeichnete. Eine Zirkularnote an alle beteiligten Mächte könne ihre Wirkung nicht verfehlen, „denn was sie [die Mächte] schließ­lich alle wollen, ist eine gerechte Handhabung der Justiz, und die wer­den sie bekommen“80). Im Jänner 1879 bestand bereits volle Über­einstimmung zwischen beiden Regierungen, daß im Interesse Europas die Rechtspflege auf Zypern wie in Bosnien und der Herzegowina von regu­lären Gerichtshöfen, nicht von Konsuln, ausgeübt werden solle90 91). Umso unangenehmer mußte es der österreichischen Regierung sein, daß gerade jetzt der österreichische Vizekonsul in Larnaca, Joseph Pascotini, eine unerwünschte Aktivität entwickelte, um die Kapitulationen auch gegen­über den britischen Behörden auf Zypern zur Geltung zu bringen. Stein des Anstoßes war zunächst die angebliche Benachteiligung der europäischen (d. h. griechischen) Bevölkerungsgruppe, die darin gipfelte, daß der eng­lische Richter nach fünfstündiger Verhandlung ein inappellables Todes­urteil verhängte; kurz darauf versteifte sich Pascotini, als es um die Aus­slawien. Soferne es überhaupt denkbar ist, daß die Papiere einer Gesandtschaft oder eines Konsulates rechtmäßiger Besitz eines anderen als des entsendenden Landes werden können, scheint obige Auslegung der Depotfrage die einzige, die dem Wortlaut aller drei Erlässe gerecht wird. Der Bestand des General­konsulatsarchivs ist heute auf gesplittert: acht Faszikel, meist Konzepte politi­scher Berichte, befinden sich im HHStA; 15 Kart. Reservatakten, 214 Kart, all­gemeine Akten und 29 Geschäftsbücher im ABH; die in beiden Archiven liegen­den Bestände der übrigen österreichisch-ungarischen Konsularämter in Bos­nien und der Herzegowina sind dabei nicht berücksichtigt. Die in Sarajevo liegenden Bestände sind verzeichnet von Kasim Isovic Vodic kroz arhivsku gradu austrougarskih konzularnih ustanova u Bosni i Hercegovim 1850—1880 in Glasnik 12—13 (Sarajevo 1972—1973) 23—30. Bei dieser Gelegenheit möchte ich nochmals dem Direktor des ABH, Herrn Prof. Bozidar Madzar, sowie Frau Prof. Edita Radosavljevic, meinen verbindlichsten Dank für die freund­liche Aufnahme und Beratung im Februar 1977 aussprechen. 90) Bericht aus London, 1878 Dezember 18: Admin. Reg. F 61/4 (Consular- Jurisdiction auf Cypern fol. 340—341). 91) Berichte aus London, 1879 Jänner 15 und 22: ABH GFM Allgemeine Reihe ZI. 478 und 479/1879; über die britisch-österreichische Zusammenarbeit und die Aufhebung der Kapitulationen auf Zypern vgl. Dwight E. L e e Great Britain and the Cyprus Convention Policy of 1878 (Cambridge 1934) bes. 86 f, 104 f und George H i 11 A History of Cyprus 4 (Cambridge 1952) 285, 403 ff.

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