Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 30. (1977)

RILL, Gerhard: Zur Geschichte der österreichischen Konsulargerichtsbarkeit in Bosnien

174 Gerhard Rill ben dem Kaimakam von Travnik und dem Mudir von Livno zählte auch der Statthalter zu den schärfsten Gegnern der Steuerbegünstigung öster­reichischer Ansiedler. Osman Pascha weigerte sich von Anfang an, dies­bezügliche Zertifikate zur Kenntnis zu nehmen 48). Auch auf österreichischer Seite bestand keine restlose Klarheit über den Nachweis der Staatsbürgerschaft. 1859 hatte die Pforte den Vorschlag unterbreitet, österreichische Untertanen sollten von nun an nicht mehr „abusive, ... sondern offen und legal“ im Osmanischen Reich Grund und Boden besitzen dürfen, — jedoch unter der Bedingung, daß sie für diesen Besitz „in allem und jedem dem Landesgesetz und den Landesab­gaben unterworfen seien“. Dieser Vorschlag wurde von österreichischer Seite als „traktatenwidrig“ sofort zurückgewiesen. Es blieb also beim un­sicheren status quo49). Als im folgenden Jahr die österreichische Staats­bürgerschaft von 136 Familien im Bereich des Konsulates Mostar ange- fochten wurde, bestätigte die Statthalterei Zara die Nationalität der dal­matinischen Familien mit folgender Begründung: 1. Ein Teil der Personen ist tatsächlich in Dalmatien geboren. 2. Ein anderer Teil ist zwar auf türkischem Gebiet geboren, stammt jedoch von dalmatinischen Eltern. 3. Sämtliche Personen besitzen in Dalmatien liegende Güter und 4. halten sich einen Teil des Jahres dort auf. 5. Keine der fraglichen Personen hat die Absicht geäußert, die österreichische Staatsbürgerschaft aufzugeben. Indessen führte eklatanter Protektionsmißbrauch von Seite Rußlands zur Verschärfung der Lage, als die Pforte energisch gegen „abusive Erthei- lungen ausländischer Staatsbürgerschaft an osmanische Unterthanen“ pro­testierte. Der österreichische Internuntius hielt es daher für angemessen, neue Kriterien vorzuschlagen, wobei er betonte, „mit welcher Vorsicht bei Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an türkische Unterthanen vorgegangen wird. Nicht allein, daß diese überhaupt nur solchen Individuen verliehen wird, welche ihren ordentlichen Wohnsitz im österreichischen Kaiserstaate bereits aufgeschlagen haben, wird dieser Natio­nalitäts-Wechsel auch stets noch von der Bedingung abhängig gemacht, daß der in die österreichische Staatsbürgerschaft aufzunehmende türkische Unter- than in der Türkei kein liegendes Vermögen besitze, daß er daselbst in keinen Rechtsstreit verwickelt sei und daß er keine kompromittierenden Familienver­bindungen daselbst unterhalte ..50). Die „traktatenmäßigen Vorrechte österreichischer Untertanen“ übten je­doch weiterhin eine magische Anziehungskraft auf die von Willkür be­drohten Pächter aus und stellten die Kompromißbereitschaft beider Re­gierungen auf harte Proben. Im September 1862 erhielt Jovanovic grund­sätzliche Belehrungen: 48) Bericht Giorgi, 1861 Juni 29: PA XXXVIII 144. 4!!) Weisung an Generalkonsulat Sarajevo 1861 September 12: ABH GKsS Allgemeine Akten ZI. 1018/1861. 50) Ebenda.

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