Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 30. (1977)

RILL, Gerhard: Zur Geschichte der österreichischen Konsulargerichtsbarkeit in Bosnien

168 Gerhard Rill Travnik, Ahmed Bey, protestiert, denn es sei schon immer sein Grundsatz gewesen, sich „von der Tendenz allein femzuhalten, sich in türkische Ange­legenheiten zu mischen“. Die Verpflichtung der österreichischen Untertanen, die an Grund und Boden haftende Jahressteuer zu zahlen, bleibt unangetastet; etwaige Weigerungen der Leute, diese zu bezahlen, beruhen auf einem Miß­verständnis der Ratschläge des Konsularagenten. Der Einspruch Dembickis be­zieht sich lediglich darauf, daß „traktatswidrige Beträge für Personal- und Militärenthebungssteuern, Leistungen am Vorspann und sonstige Lieferungen unter Drohen, ja sogar Arretirungen willkührlich abgenommen“ wurden. Ein ähnlicher Fall ergab sich kurz darauf in den Grenzorten Mracaj, StozistaS8) und Tiskovac. Auch hier wird von türkischer Seite der Vorwurf erhoben, Dembicki habe türkische Untertanen zu Ungehorsam, nämlich zur Steuerverweigerung, aufge­hetzt. Der österreichische Konsularagent betont hingegen, daß er lediglich die Steuerzahlung von der Bestimmung der Nationalität abhängig gemacht habe, die zur Zeit „zwischen den beiden hohen kais. Regierungen im Zuge“ sei; bis dahin soll der status quo erhalten bleiben. Der Mudir von Livno hat nicht nur gleich nach seiner Ankunft die Einwohner der drei Dörfer als türkische Untertanen behandelt, „sondern wollte auch diejenigen kais. Un- terthanen, deren rechtmäßige Statthalterei-Pässse im hiesigen Archive deponirt erliegen, als solche anerkennen und ... ließ die meisten hier ansässigen Oester­reicher ... auf das türkische Gericht vorrufen, stellte mit ihnen betreff ihrer Herkunft Verhöre an, um sodann unrichtige Berichte seiner Vorgesetzten Be­hörde vorzulegen“. Jovanovic billigte das Vorgehen Dembickis nicht nur, sondern fügte noch hinzu, „daß jeder k. k. Konsul oder Agent in Bosnien von dem Augenblicke, wo er ein besonderes Gewicht darauf legen würde, sich bei den türkischen Behörden beliebt zu machen, aufhören müßte, seinen Dienst ordentlich zu versehen, denn die Interessen der k. k. Unterthanen sind den Anforderungen der türkischen Behörden geradezu entgegengesetzt und daher alles, was man zum Schutz der ersteren zu thun genöthigt ist, den letzteren stets höchst unwillkommen und daher entweder gar nicht oder nur mit größ­ter Mühe von denselben zu erreichen ist“. Abgesehen davon ist die Vorladung und „Belästigung“ österreichischer Untertanen ohne Vorwissen des Konsuls als dem Artikel 5 des Passarowitzer Handelsvertrages entgegenlaufend zu be­zeichnen. Entscheidend für die Besteuerung war also die Ermittlung der Staats­bürgerschaft. Darin aber gingen die Behörden grundverschiedene Wege, wie der Fall des Marko Perié zeigt: Auf türkischer Seite hatte der Mudir vom Statthalter ausdrücklichen Be­fehl erhalten, die Staatsbürgerschaft durch Erhebungen bei Vertrauensper­sonen und Geistlichen zu klären, und zwar nach dem Grundsatz, daß entweder die fragliche Person oder deren Vater aus Österreich eingewandert sein müß­ten; außerdem dürften sie keine Liegenschaften in der Türkei besitzen. Der Mudir läßt demzufolge „achtbare und ergraute Insassen von Livno“ und „ande­re kompetente und glaubwürdige Leute“ vernehmen und erhält als Ergebnis: S8) In Stozista hatte im Mai 1860 der Verwalter Osman Paschas versucht, fünf dalmatinische Familien von den Gütern seines Herrn auszuweisen, schei­terte jedoch am Einspruch des Generalkonsulates: Bericht Wassitsch, 1860 Juni 7: PA XXXVIII 138.

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