Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 30. (1977)

RILL, Gerhard: Zur Geschichte der österreichischen Konsulargerichtsbarkeit in Bosnien

österr. Konsulargerichtsbarkeit in Bosnien 167 Der österreichische Untertan Ivan Öonkik, Wagnermeister aus Pest, kam laut türkischer Darstellung eines Tages über die Drina und bewegte sich am Ufer „in auffallender Weise“. Bei seiner Festnahme tauchte ein gewisser „Ig- nat“ (recte Ignaz Draganovic), österreichischer Untertan und „ehemaliger Lehrer der christlichen Kinder“, auf, der „stets beschäftigungslos“ ist; „er mengt sich in Alles, bethört und verdirbt die Leute, so daß alle Einwohner und [!] Christen ihm wegen seiner unstatthaften Handlungen abgeneigt sind und sich beunruhigt finden“. Das Gericht hat daher schon früher die Abschie­bung des „Ignat“ betrieben. „Einigen Oesterreichern ist er für ihre Unter­nehmungen associirt und die christlichen Inwohner quält er durch Einforde­rungen des Lohnes für den Unterricht im Rechnen ...“. Als es sich herausstellt, daß Öonkik nicht „zur Kategorie der Verbrecher“ gehört und der Mudir Hadschi Hafis Bey ihn an die Verwaltung des Sandschak abstellen will, ist es zu spät. Ignat hat dem Häftling, mit dem er sich zuvor „in österreichischer Sprache“ unterhielt, zur Flucht verholfen. Ganz anders lautet die Version des österreichischen Konsularagenten Omcikus. Draganovic „befaßte sich zu Bellinc als Commissionär mit Samm­lung der Hadern, Knozzern, Rindshömer, Nüssen etc., dann mit dem Geld­wechseln“. Er ist unbescholten und genießt beim türkischen Militär das „un- getheilte Zutrauen“. Als Dolmetsch (für die Vernehmung öonkiks) wurde er in den Konak berufen. Als er am nächsten Tag öonkiks Stiefel am Markt angeboten findet, geht er zu dem verzweifelten Häftling und schenkt ihm in der Stube des Pandurentschauschs in Gegenwart des Schreibers sechs Piaster. Omcikus vermutet, daß Öonkik überhaupt nicht bewacht wurde. Der Fall Conkik ist also in Wirklichkeit ein Fall Draganovic. Der für die Behörde uninteressante Conkik hatte, wenn man Omcikus Glauben schenkt, die Sorglosigkeit der Panduren zur Flucht benützt. Draganovic aber hatte als Beauftragter eines österreichischen Donaudampfschiffahrts- Agenten wegen Nichterfüllung einer Zusage für eine Maislieferung mehre­re Türken, darunter einen Bey, verklagt. Die Flucht Conkiks bot dem Mudir Gelegenheit, im Medslis neuerdings die Ausweisung des Draganovic, der die Bevölkerung „beunruhigte“, zu betreiben. Eine Note des General­konsulates Sarajevo an den Statthalter und ein Schritt der Internuntiatur machten diese Pläne schließlich zunichte. Eine für das Finanzwesen des Osmanischen Reiches äußerst wichtige Fra­ge war die der Besteuerung der am Balkan ansässigen europäischen Unter­tanen. Im vorliegenden Beschwerdekomplex geht es zunächst um Steuer­leistungen zu Kopcic im Bezirk des Mudirs von Akhissar (Skoplje). Die dort ansässigen Bewohner haben laut türkischen Angaben bisher (November 1861) ihre Steuern anstandslos bezahlt. Erst seit kurzem lehnen einige von ihnen weitere Zahlungen ab, „wie ihnen dies vom Consularagenten in Livno bedeutet worden sey“. Als Begründung wird von ihnen die „präten- dir'te österreichische Staatsbürgerschaft“ angeführt. Im Gegensatz zum leicht­fertigen Vorgehen des österreichischen Agenten hat der Statthalter von Bosnien bereits den Kaimakam von Travnik beauftragt, die Staatsbürgerschaftsver­hältnisse zu klären, und zwar in erster Linie durch Befragung der Orts­geistlichkeit. Nach österreichischer Darstellung steht die Staatsbürgerschaft der fraglichen Personen außer Zweifel, da sie in der Matrikel österreichischer Untertanen verzeichnet sind. Nur deshalb hat Dembicki beim Kaimakam von

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