Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 30. (1977)

RILL, Gerhard: Zur Geschichte der österreichischen Konsulargerichtsbarkeit in Bosnien

166 Gerhard Rill fen worden sei, das sich seit zehn Jahren in seinem Besitz befinde. Die von Polak geforderte Untersuchung einer für sein Tier charakteristischen Narbe brachte dem Kläger keinen Vorteil, man blieb daher bei der ersten Entschei­dung. Der Konsular argent jedoch drohte, die Sache vor das Generalkonsulat Sarajevo zu bringen, schnitt die Frage der Entschädigung der Zeugen Polaks an und machte weiterhin zusätzliche Schwierigkeiten, — auch nachdem ihm in einer Note der bosnischen Statthalterei das Zertifikat der Ausschüsse und Vor­stände des Dorfes in serbischer Sprache vorgelegt und die Dorfbewohner ein­zeln einvemommen worden waren. Von österreichischer Seite wird zunächst festgestellt, daß die Sache leichter zu schlichten gewesen wäre, „wenn nicht die durch die türkische Schreibart erklärbare Veränderung des Namens Buglian oder Bulan in Polak den Irrthum veranlaßt hätte, daß die türkische Anzeige und der Agentie- Berieht zwei ganz verschiedene Streitsachen betreffen ...“. Im Verfahren selbst werden entscheidende Mängel erkannt: Buglian hätte sich mit den Zeugnissen dreier Mitbürger Csűrös und dem des Jovo Seraila aus Livno, von dem Csuro angeblich die Stute gekauft hatte, zufrieden gegeben; es sagten jedoch nur zwei Zeugen aus, Seraila verweigerte die Vereidigung. Hingegen wurde das schriftliche Zeugnis der 13 Ortsältesten von Bitelic, die zur Beeidigung ihrer Aussage bereit waren, nicht berücksichtigt. Die von Buglian verlangte Unter­suchung der Verwundung des Tieres wurde keineswegs mit negativem Erfolg durchgeführt, sondern wegen angeblicher Inkompetenz des Gerichtes vertagt. Dembicki stellt drei Forderungen: erstens die Vereidigung Serailas; zweitens die Untersuchung der Stute; drittens die Entschädigung der Zeugen Buglians, denn: da die Angelegenheit nach Aussage des Mudirs nicht nach dem Staats­gesetz, sondern nach dem Korangesetz entschieden werden müsse, waren die Zeugen nicht nur siebenmal, jeweils drei bis vier Tage, in Livno, sie müssen auch ein achtes Mal zur Entscheidung des Prozesses im Sinne des Scheriats (Korangesetzes) am Verhandlungsort erscheinen. Dies zeigt, so Dembicki, die ganze Böswilligkeit der türkischen Lokalbehörde. Sieht man von den offensichtlichen Widersprüchen der Prozeßgegner ab, so reduzieren sich die Unstimmigkeiten auf einige Momente. Die (christ­lichen) Zeugen Buglians konnten, wenn nach dem Korangesetz entschie­den wurde, nicht vereidigt werden, ebenso nicht der (mohammedanische) Seraila, wenn er dies ablehnte. Es blieb also das Zeugnis jener Muslim, die sich bereit erklärt hatten, unter Eid auszusagen. Während jedoch die nicht beeidete Aussage der Ortsältesten unberücksichtigt blieb, versicher­te man im Falle Serailas, daß dessen Angaben ohne Vereidigung genüg­ten. Dembicki nannte dies eine „Unrichtigkeit der Motive“. Tatsächlich scheint der Mudir als Verhandlungsleiter im Rahmen des Korangesetzes das Urteil aus einer wohlbedachten Kombination von Aussagen vereidig­ter und nicht vereidigter aber berücksichtigungswürdiger Zeugen abge­leitet zu haben, während die nicht vereidbaren (christlichen) Zeugen gänz­lich ausfielen. Der zweite monierte Fall, der sich im Bereich der Konsularagentie Tuzla abspielte, steht mit der Konsulargerichtsbarkeit zwar nur in losem Zu­sammenhang, zeigt aber deutlich die nach europäischen Vorstellungen recht vordergründige Lenkung der Rechtsprechung von Seite der Lokal­behörde.

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