Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 30. (1977)

RILL, Gerhard: Zur Geschichte der österreichischen Konsulargerichtsbarkeit in Bosnien

164 Gerhard Rill Sprachkenntnisse und die „Entschiedenheit seines Charakters“ gerühmt, so wurde 1872, nach Erscheinen eines anonymen Pamphletes in italieni­scher Sprache — das sich übrigens als eine Ansammlung von Verleum­dungen erwies — von Generalkonsul Theodorovic erklärt, Dembicki leide an einem „sehr reizbaren Nervenzustand“ und besitze leider nicht den notwendigen „gleichmäßigen Takt“; er sei daher überall unbeliebt. Ob­wohl der Kaimakam von Travnik behauptete, gerade der Konsularagent von Livno sabotiere jedes Einverständnis zwischen österreichischen und türkischen Organen, muß man Dembicki doch bescheinigen, daß er zwar konsequent, aber mit eiserner Selbstdisziplin handelte. Er selbst hat diese Verpflichtung zur Untätigkeit bei den grausamen Rajah-Verfolgungen schmerzlich empfunden 31). Eine ähnliche Harmonie wie zwischen Jovanovic und Dembicki scheint auf türkischer Seite zwischen dem Kaimakam von Travnik, Ahmed Bey, und dem Mudir von Livno, Dschemal Bey, geherrscht zu haben. Beide galten als Proponenten einer zutiefst christenfeindlichen Verwaltungs­praxis. Dschemal Bey wurde auf österreichischer Seite als Reinkarnation altasiatischer Grausamkeit empfunden 32). Als ein österreichischer Unter­tan ermordet worden war, macht der Mudir aus seiner Gesinnung kein Hehl: „Schade, daß nicht 20 Giaurs tot sind“ 33)! Daß dieser Radikalismus nicht alle notwendigen österreichisch-türkischen Beziehungen zerstörte, muß vor allem dem mäßigenden Einfluß des öster­reichischen Internuntius, Prokesch, und dem des Statthalters von Bosnien, Osman Pascha, zugeschrieben werden. Die Versicherung Aali Paschas, Osman Pascha sei ein „Ehrenmann, wie die Türken kaum einen zweiten aufzuweisen haben, vollständig versöhnlich, von den mildesten For­men ..34), findet in der Aussage eines Augenzeugen, des Schweizer Arztes Josef Koetschet, seine Bestätigung: Dem gebildeten und humanen Vali von Bosnien und dem turkophilen Internuntius sei die Beilegung der konsularischen Streitigkeiten zu verdanken gewesen 35). Dem wider­31) Personalangaben im Kriegsarchiv Wien Conduitelisten des IR 31 von 1862, fase. 302 p. 36 und Admin. Reg. F 4/68—69. Daraus ist ersichtlich, daß Dem­bicki 1854—58 seine militärische Karriere wegen einer Duellaffäre unterbro­chen hatte; in F 4/69 gedrucktes Pamphlet II Cavaliere Dembinsky (!) und Stellungnahme Theodorovic’ von 1873 Juni 13; noch 1873 wurde Dembicki nach Prevesa versetzt, wo er am 17. Februar 1893 starb. 32) „... depuis l’installation du Mudir actuel Gemal Bey l’administration turque semble avoir ä coeur de mettre en scene les cruautés qui signalérent l’époque de la premiere invasion des hordes asiatiques dans cette province ..“; Bericht Giorgi, 1862 Jänner 25: PA XXXVIII 151. 33) Dembicki an Jovanovié, 1863 Jänner 26: Admin. Reg. F 8/34 (Bosnien- Herzegowina, Livno). 34) Bericht Prokesch, 1864 März 23: Admin Reg. F 4/153 (Personalakt Jovano­vic). 35) Josef Koetschet Osman Pascha, der letzte große Wesier Bosniens, und seine Nachfolger (Zur Kunde der Balkanhalbinsel 9, Sarajevo 1909) bes. 24.

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