Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 30. (1977)
RILL, Gerhard: Zur Geschichte der österreichischen Konsulargerichtsbarkeit in Bosnien
österr. Konsulargerichtsbarkeit in Bosnien 163 Zu Beginn der Sechzigerjahre, als es zu den anfangs erwähnten Unstimmigkeiten kam, befand sich die christliche Bevölkerung des Distriktes Livno durch die Ein- und Durchwanderung von Pächtern aus Dalmatien in ständiger Bewegung. Obwohl nur wenig über hundert Familien österreichischer Untertanen zur ständigen Einwohnerschaft gehörig gezählt wurden, bezeichnete der österreichische Konsularagent Livno als jenen Ort Bosniens, „wo die meisten kaiserlichen Unterthanen [leben], so zwar ab und zu gehen, daß Woche für Woche bei fünfhundert Oesterreicher sich hierorts einfinden, daher Fälle unaufhörlich sind, daß Differenzen zwischen ihnen und türkischen Unterthanen .. . permanent zu schlichten sind ..28). Hauptakteure in den erwähnten Differenzen waren auf österreichischer Seite vor allem die Offiziere Stefan Jovanovic, Oberstleutnant, seit Mai 1862 Generalkonsul in Sarajevo, und Oberleutnant Julius von (Jaxa-) Dembicki, seit Oktober 1859 Konsularagent in Livno, in zweiter Linie auch der Konsularagent in Tuzla, Hauptmann Nikolaus Omcikus29). Jovanovic stand nicht nur in schroffem Gegensatz zu den türkischen Behörden, er hatte sich auch bei seinen eigenen Vorgesetzten im Zivildienst unbeliebt gemacht, und zwar zunächst beim Außenministerium wegen ausgedehnter Dienstreisen in seinem Distrikt, dann bei Prokesch, der ihm instruktionswidriges Verhalten und mangelnde Eignung für den exponierten Posten in Sarajevo vorwarf. Was er an Erkenntnissen von seiner Bereisung der Krajina nach Hause brachte, läßt sich in einem Satz zusammenfassen: Das ganze Land schmachte unter dem „barbarischen Terrorismus“ einer indolenten, nur in Korruptionsaffären bewanderten Beamtenschaft; da deren Absichten den Interessen der österreichischen Untertanen diametral entgegengesetzt seien, sei ein Einvernehmen zwischen Generalkonsulat und Lokalbehörde unmöglich30). Hingegen scheint beste Übereinstimmung zwischen Jovanovic und seinem Untergebenen Dembicki geherrscht zu haben. Dieser, ein wegen einer Duellaffäre aus dem Militär ausgeschiedener Offizier, hatte, obwohl Katholik, von Anfang an Schwierigkeiten mit der katholischen Geistlichkeit, besonders mit dem Pfarrer von Livno, Fra Karaula, dem er vorwarf, daß der Klerus „einen großen Theil seiner Anstrengungen materiellen Zwecken“ widme. Hatte 1859 der sonst so kritische Prokesch selbst die Tapferkeit, die vielseitigen 28) Dembicki an Jovanovic, 1861 Juli 29: Arhiv Bosne i Hercegovine, Sarajevo (= ABH) Generalkonsulat Sarajevo (= GKsS) Allgemeine Akten ZI. 841/ 1861. 29) Personalakt in Admin. Reg. F 4/239; ferner Kriegsarchiv Wien Grundbuchsblatt P. a. D. 95/156; seit 1856 Konsularagent in Tuzla, im September 1862 zum Major befördert. Hetzte angeblich Angehörige der Rajah gegen türkische Behörden auf: ABH GKsS Reservatprotokoll P 1 ZI. 30 und 32/1858. 30) Berichte 1862 Mai 20, August 16 und 23, September 5: HHStA PA XXXVIII 151; 1862 Juli 26: Admin. Reg. F 8/35 (Bosnien-Herzegowina, Sarajevo — Streitfälle Livno). Personalakt in Admin. Reg. F 4/153; ferner Kriegsarchiv Wien Qualifikationsliste fase. 1314 und Grundbuchsblatt Abg. I. u. II. — 1/127. 11*