Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 30. (1977)

RILL, Gerhard: Zur Geschichte der österreichischen Konsulargerichtsbarkeit in Bosnien

162 Gerhard Rill seine Energie und sein Ansehen nicht verdunkeln. Zehn Jahre nach sei­nem Tod, 1867, verherrlichte ihn die Presse mit Recht als den großen Schrittmacher des österreichischen Ansehens in Bosnien, dem im Bereich des Generalkonsulates keine gleichwertige Persönlichkeit gefolgt sei. Selbst die Türken hätten ihn zuerst gefürchtet, dann insultiert, zuletzt respek­tiert. Mit dieser späten Belobigung verfolgte die Presse allerdings kei­nen Selbstzweck: Hauptanliegen war ihr der Nachweis, daß im öster­reichischen Konsularverband Bosnien-Herzegowina — wie übrigens im ge­samten levantinischen Bereich — die Träger einer politisch-kommerziel­len Mission immer mehr einem neuen Typus, dem des militärischen Be­amten, des für konsularische Agenden keineswegs vorgebildeten Offiziers, gewichen seien 25). III Im bosnischen Karstgebiet, am Absturz des Prolog zur fruchtbaren Ebene gelegen, zählte das Städtchen Livno um 1880 rund 770 Häuser und 4600 Einwohner beiderlei Geschlechtes und dreier Religionsgruppen26). Da nir­gends in Bosnien der Gegensatz zwischen reichen Muslim und armen Christen stärker war und konsequenter ausgetragen wurde als hier, flüch­teten Angehörige der verzweifelten Rajah häufig in die Planina, die un­wegsame Hochebene, deren höchstes Plateau, das Kupresko-Polje, am ehesten noch von Livno aus zugänglich war. Hier, im „Reich der schweig­samen Hirten“, wie in anderen schwer erreichbaren Gegenden der Krajina befanden sich die Herdgebiete der auf österreichisches Gebiet übergrei­fenden Räuberei wie auch des Widerstandes gegen jedwede Obrigkeit. In den blutigen Erhebungen gegen die türkische Gewalt 1875 spielte Livno ebenso eine besondere Rolle, wie es drei Jahre später einer der letzten Schlupfwinkel der Insurgenten gegen die österreichischen Okkupations­truppen werden sollte. Und der Rhythmus der Feindseligkeiten zwischen der Rajah und der verhaßten türkischen Obrigkeit wurde nicht zuletzt vom unerbittlichen Klima mitbestimmt. „Wenn der Eintritt des Winters einerseits die Besorgnisse der türkischen Regierungsorgane und anderer­seits die Hoffnungen der christlichen Bevölkerung Bosniens gedämpft hatte, so werden bei Annäherung des Frühjahrs beide gleichzeitig rege“ 27). 25) über die Pressekampagne 1866/67 Akten und Abschriften als Beilagen zum Bericht des Generalkonsulats Sarajevo 1867 Jänner 27: Admin. Reg. F 8/ 35 (Bosnien-Herzegowina, Sarajevo). 26) Ortschafts- und Bevölkerungs-Statistik von Bosnien und Hercegovina. Aemtliche Ausgabe (Sarajevo 1880) 70. 27) Giorgi an Prokesch, 1862 März 28: HHStA Botschaftsarchiv Konstanti­nopel 320. Vgl. Sosnosky Balkanpolitik 1 260 f, 266 ff (zu 1878) bzw. Milorad Ekmecic Der Aufstand in Bosnien 1 (Zur Kunde Südosteuropas 1/3, Graz 1974) 156 ff (zu 1875).

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