Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 30. (1977)

RILL, Gerhard: Zur Geschichte der österreichischen Konsulargerichtsbarkeit in Bosnien

österr. Konsulargerichtsbarkeit in Bosnien 159 kaum möglich. „Die wenigsten Bosnier mögen wissen, daß sie vor ein privile­giertes Forum gehören oder wie ihre Anbringen, um der hiesigen Rechtspflege anzupassen, eingerichtet seyn müssen und wir ihnen einen erflossenen Be­scheid verdollmetschen oder erklären können. Ebenso wissen ohne Zweifel auch die wenigsten, wo und binnen welcher Frist Appellation einzulegen sey? Natürlich dürften obige Umstände von den hierländischen Gegnern nicht selten zum eigenen Vortheil benützt werden, und so mag es geschehen, daß die dieß- seitigen Beklagten wegen Mängeln in der Form der Klage oder der Beweise ab instantia losgesprochen oder die Appellation eines Bosniers wegen ver­säumter Frist nicht zugelassen oder selber auf den ihm ganz fremden Rechts­weg verwisen wird. Er, der sich somit auf eine für ihn nicht begreifliche Weise unbefriedigt sieht, glaubt dann über verweigerte Gerechtigkeit oder Genugthuung klagen zu können, sinnt auf Rache, spornt dazu noch andere seiner Landsleute an, und die nothwendige Folge ist, daß der Sauerteig wechsel­seitiger Gehässigkeit und Anfeindung stäts gährend erhalten wird ...“. Entscheidende Maßnahmen dagegen wären: schiedsgerichtliche Tribunale, die an Ort und Stelle gütliche Einigungen zustande bringen könnten, ferner der Ausbau des Kundschafterwesens, das eingehende, „nach ihrem wahren Werthe“ zu würdigende Informationen über die bosnischen Verhältnisse liefern soll. Schließlich muß — vor allem nach der Erfahrung mit dem seinerzeitigen Travniker Konsulat — das Fazit gezogen werden: Befehle, die bei türkischen Behörden erwirkt wurden, erwiesen sich oft als folgenlos, oft auch als gefähr­lich, denn „die Stimmung der Kapitäne und sonstigen Häuptlinge“ schlägt mei­stens dann in Haß um, wenn der Gouverneur zu Gunsten des Konsuls inter­veniert. Direkte Kontakte mit den Machthabern des Landes sind daher vor­zuziehen. Aus allen diesen Gründen wird vorgeschlagen, einen eigenen Beamten beim vereinigten Banal-Warasdiner-Karlsstädter Grenzkommando für bosnische An­gelegenheiten anzustellen; selbstverständlich müsse dieser mit der türkischen und der Landessprache sowie mit den örtlichen Verhältnissen bestens vertraut sein. Er soll instruiert werden, als k. k. Kommissär schiedsrichterliche Kom­promisse und freiwillige Abfindungen zu vermitteln, dabei den Kontakt mit den türkischen Behörden, besonders dem Statthalter von Bosnien, aufrecht zu erhalten und das Kundschafterwesen neu zu organisieren 16). Ausschlaggebend ist also das Bestreben, ein gemeinsames Forum für österreichische und bosnische Parteien zu errichten, wobei die Möglich­keit offen gelassen wird, daß sich unter den österreichischen Untertanen auch solche befinden, die sich häufig oder ständig jenseits der Grenze aufhalten. Im Grund genommen sollte in der Person des Kommissärs eine Autorität erstehen, die in schiedsrichterlicher Funktion und in Zusam­menarbeit mit den Behörden und den bodenständigen Großgrundbesitzern auf gütlichem Wege jenen Rechtsausgleich herbeizuführen im Stande war, der im Sinne der Kapitulationen, hier jedoch auf der Basis von Staatsver­trägen, in den Bereich der Konsulargerichtsbarkeit fiel. Gerade deshalb lehnte der Hofkriegsrat, der nebenbei den Verlust von Kompetenzen be­fürchtete, in einem streng formalistischen Gutachten dieses Projekt ab: Jedermann müsse sich den Gesetzes des Landes, in dem er Geschäfte tätige, unterwerfen, „wie [sich] dies auch unsere Unterthanen, die auf 15 15) Staatskanzlei an Hofkriegsrat, 1831 April 19: ebenda (fol. 6—9, 16 f).

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