Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 30. (1977)

RILL, Gerhard: Zur Geschichte der österreichischen Konsulargerichtsbarkeit in Bosnien

158 Gerhard Rill kunftsmittel, dessen kommentarlose Akzeptierung man erwartete. Jede andere Reaktion der türkischen Behörde wurde als „traktatenwidriges Verfahren“ betrachtet. II Seit dem Abbruch einer ersten Episode österreichischen Konsularwesens in Bosnien — jener Travniker Jahre (1807—1821), die durch Ivo Andric eine weit über den historischen Tatbestand hinausreichende literarische Bedeutung erlangten — war das Projekt einer konsularischen Vertre­tung der Monarchie in Bosnien nie in Vergessenheit geraten 12). Die Un­fähigkeit der Pfortenregierung, räuberische Einfälle auf österreichisches Gebiet zu unterbinden, ließ es als ratsam erscheinen, mit den örtlichen Machthabern in Bosnien direkt in Verbindung zu treten. 1830 fanden kommissionelle Verhandlungen an der Grenze statt. Der kaiserliche Dol­metsch Athanaskovic, von dem noch die Rede sein wird, brachte eine Einigung mit „einzelnen bosnischen Kapitänen“ zustande, besprach sich dann in Travnik mit dem Statthalter und reiste schließlich zwecks Be­stätigung der Vereinbarungen nach Konstantinopel13). Bei dieser Ge­legenheit tauchte der Gedanke auf, ein ständiges Schlichtungstribunal für bosnische Grenzfragen zu errichten, und zwar, nach Vorstellung des FML Wenzel Graf Lilienberg, in Form eines österreichischen Konsulates in Travnik14). Aus zwei Gründen wurde dieses Projekt fallen gelassen: einmal wegen der chaotischen Zustände in Bosnien, die jede Zusammen­arbeit unmöglich zu machen drohten; zum andern war zu erwarten, daß Frankreich, dessen Präsenz in Bosnien keineswegs im Interesse der österreichischen Regierung lag, diesem Beispiel folgen würde. Die Dring­lichkeit, eine auf soliden Kenntnissen der bosnischen Probleme beruhende friedliche Dauerlösung zu finden, gebot jedoch, zumindest nach einem Ersatz Ausschau zu halten. Sehr konkrete Vorstellungen darüber enthielt eine Note der Staatskanzlei an den Hofkriegsrat vom 19. April 1831: Für ein friedliches Verhältnis zu Bosnien ist zunächst nötig, genaue Kenntnis über Zustände, Sitten und Gebräuche jenseits der Grenze zu erlangen. Andern­falls würden Mißverständnisse fortwährend zu neuen Feindschaften führen. Eine gerichtliche Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Einwohnern dies- und jenseits der Grenze ist wegen der Verschiedenheit der Gesetze zur Zeit 12) Vgl. Midhat Samic Istorijski izvori Travnicke hronike Ive Andrtta i njihova umjetnicka transpozicija (Sarajevo 1962). Die Korrespondenz des Trav­niker Konsulates 1807 (erste Instruktion für Mitesser, bei Andric: Mitterer, vom 24. Dezember) bis 1821 liegt im HHStA Staatskanzlei, Konsulate 35—43. iS) Staatskanzlei an Hofkriegsrat, 1830 Oktober 20 und 1831 Februar 26; Vortrag der Staatskanzlei, 1831 März 9: Admin. Reg. F 4/13 (Personalakt At­hanaskovic fol. 1, 11—14). 14) Hofkriegsrat an Staatskanzlei, 1831 März 30: ebenda (fol. 10).

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