Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 30. (1977)

RILL, Gerhard: Zur Geschichte der österreichischen Konsulargerichtsbarkeit in Bosnien

österr. Konsulargerichtsbarkeit in Bosnien 155 24. Oktober 1862, in der über die Vorgangsweise der österreichischen Konsularbeamten in Bosnien heftig geklagt wurde. Die Wiener Regie­rung, so hieß es unter anderem, möge ihren Agenten präzise Weisungen erteilen, damit die bisher freundschaftlichen, durch deren Wirken je­doch ernsthaft gefährdeten Beziehungen zu den Lokalbehörden und zu­gleich das Verhältnis zwischen den beiden hohen Regierungen nicht wei­terhin belastet würden. Das Wiener Außenministerium wies diese An­schuldigungen energisch zurück, und der österreichische Internuntius in Konstantinopel, Anton von Prokesch-Osten, berichtete Ende November, dem türkischen Außenminister Aali Pascha sei die ganze Angelegenheit peinlich; sie beruhe, zumindest in formeller Hinsicht, auf einem Mißver­ständnis, da die Depesche an Kallimachi vertraulich gemeint gewesen war. Über Anregung Prokeschs wurden nun von beiden Seiten Nachforschun­gen angestellt, und der Statthalter von Bosnien, Osman Pascha, erhielt die Weisung, das „Übel auszurotten“, soferne sich ein Verschulden auf türkischer Seite feststellen ließe. Anfang Jänner 1863 hatte man in Wien das diesbezügliche Wesirialschreiben bereits mit Genugtuung zur Kennt­nis genommen 3). Daß jedoch die türkischen Anschuldigungen nicht aus der Luft gegriffen waren, mußte dem kaiserlichen Außenministerium zumindest aus einer Anfang 1862 geführten, vertraulichen Korrespondenz Prokeschs mit dem britischen Botschafter in Konstantinopel, Sir Henry Bulwer, bekannt sein. Letzterer hatte auf türkische Beschwerden über feindseliges Verhalten österreichischer Konsularbeamter, die die Stimmung gegen die Regierung schürten und offen von einer möglichen Invasion in Bosnien und der Herzegowina sprachen, aufmerksam gemacht. Prokesch hatte zwar ein­geräumt, daß die Sympathie der österreichischen Slawen für ihre in der Türkei lebenden Stammesverwandten nicht geleugnet werden könne und dieses Gefühl auch von einzelnen österreichischen Beamten geteilt wer­de. Andererseits betonte er jedoch, daß Österreich keineswegs ein „dé- membrement“ der Türkei anstrebe und daß die österreichische Politik — ebenso wie die britische — nicht von subalternen Beamten gemacht wer­de. Nach Wien berichtete der Internuntius, es sei leider eine Tatsache, daß manche Konsuln slawischer Herkunft nicht Kraft und Charakter be­säßen, ihre persönliche Meinung zu unterdrücken. Derlei Klagen der Lo­kalbehörden seien schon oft an die Pforte gelangt, — „qui a trop de discernement pour se tromper sur la source de ces incidents et trop de tact pour m’en parier“ 4). 3) Korrespondenz 1862 Oktober 24 — 1863 Jänner 6 im Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien (= HHStA) Administrative Registratur F 8/35 (Bosnien-Her­zegowina, Sarajevo — Streitfälle Livno). 4) Bericht Prokesch, 1862 Jänner 25: HHStA Politisches Archiv (— PA) XII 77; ebenda Korrespondenz Prokesch-Bulwer 1862 Jänner 12 und 17; Weisung an Prokesch, 1862 Februar 2: PA XII 79.

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